Was bedeutet Eric Zemmours Erfolg für Frankreich?
Kaum ein Tag vergeht derzeit, an dem französische Medien nicht über Eric Zemmour debattieren. Der mehrfach wegen der Verbreitung von "Rassenhass" verurteilte Journalist profiliert sich mit extrem rechten Positionen und kokettiert mit einer Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen 2022. In einigen Umfragen hat er bereits Marine Le Pen überholt. All das beschäftigt Europas Presse.
Eine politische Katastrophe
Entsetzt zeigt sich der Philosoph Bernard-Henri Lévy in einem Gastbeitrag für La Repubblica:
„Eric Zemmour ist sicher nicht der Erste, der behauptet, man könne jüdisch und ultrapopulistisch sein. ... Es bleibt aber die Tatsache, dass der Jubel darüber, dass dieser Mann nicht nur seinen Namen entweiht, sondern zum Bannerträger dessen wird, was die jüdische Hoffnung seit Jahrtausenden bekämpft, unerträglich obszön ist. Da zieht eine politische Katastrophe herauf. Aber es ist auch eine Katastrophe in der metaphysischen Heimat all jener, die seit Anbeginn der Zeit etwas vom Humanismus und der besonderen Bedeutung Frankreichs bewahren.“
Allgemeine antiliberale Abdrift
Dass Eric Zemmour in manchen Umfragen Marine Le Pen überholt hat, beunruhigt The Guardian:
„Das aggressive Führen von Kulturkriegen hat es Zemmour ermöglicht, bessere Umfragewerte zu erzielen als die Hoffnungsträgerin der Parti Socialiste, Anne Hidalgo, und der grüne Kandidat Yannick Jadot zusammen. Emmanuel Macron bleibt der wahrscheinliche Gewinner der Präsidentschaftswahlen im kommenden Frühjahr - obwohl ein starker Mitte-rechts-Gegner in der Stichwahl das ändern könnte. Wenn man die Entwicklungen in Frankreich rückblickend über einen längeren Zeitraum betrachtet, dann drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass politische Kultur und Debatte in eine erschreckend antiliberale Richtung abdriften.“
Die Rechte hat ihren Mörder hofiert
Die konservativen Medien haben ein Monster erschaffen, das sich jetzt gegen sie wendet, kommentiert Le Point:
„Die Schriftstellerin Mary Shelley hatte auf ihre Weise ein ähnliches Phänomen veranschaulicht: Ein verantwortungsloser Gelehrter, Frankenstein, nimmt den Platz des Schöpfers ein und erschafft ein Lebewesen, das zum Monster wird und sich gegen seinen Erzeuger wendet. Unsere klassische Rechte hat sich die gleiche Falle gestellt: Auch sie hat den Höhenflug eines Publizisten genährt, gefördert, gestärkt, der sich als Monster der Undankbarkeit gegen sie gewendet hat und im Begriff ist, sie zu töten. Wir erleben die absichtliche Tötung der liberalen Rechten durch einen talentierten und energischen Mörder der extremen Rechten.“
TV-Präsenz steigert Zemmour Bedeutung
Nicht nur auf dem Sender CNews, für den er bis vor kurzem arbeitete, sondern auch auf anderen TV-Kanälen ist Eric Zemmour derzeit häufig zu sehen. Das verbessert seine Wahlchancen, beklagt Médiapart:
„Wie Trump kümmert sich auch Zemmour nicht um den Wahrheitsgehalt dessen, was er im Fernsehen von sich gibt, oder um falsche Zahlen - es geht nur um seine Omnipräsenz in den Medien. Die Leute denken, wenn ein Kandidat ständig im Fernsehen zu sehen ist, bedeute das, dass er wichtig ist, und das, was er sagt, noch mehr. Die Medien sind für einige immer noch Instanzen, die von sehr intelligenten Leuten geleitet werden, die die Menschen zu ihrem eigenen Wohl informieren wollen.“
So wird Macron zum Kandidaten der Vernunft
Bei einer Kandidatur Zemmours würden radikale Meinungen - aus dem linken wie aus dem rechten Lager - im Präsidentschaftswahlkampf eine große Rolle spielen, analysiert Le Soir:
„Mit der Folge, dass der scheidende Präsident Emmanuel Macron, der auf beiden Seiten des Feldes verunglimpft, von hitzigen Meinungsumfragen bedrängt und jede Woche auf der Straße beschimpft wird, wie der Kandidat der Mäßigung, der Vernunft oder sogar des gesunden Menschenverstands wirkt. ... Und infolgedessen locker wiedergewählt wird. Aus Mangel an Alternativen, versteht sich. Aber in der Politik ist es nie die eigene Schuld, wenn man aus Mangel an Alternativen gewählt wird. Es ist die Schuld des Gegners.“