Was bedeutet der Sacharow-Preis für Nawalny?
Alexej Nawalnys Tochter Daria hat an seiner statt den Sacharow-Preis im EU-Parlament entgegengenommen und politischen Pragmatismus im Umgang mit Putin und Lukaschenka kritisiert. Parlamentspräsident Sassoli hatte zuvor den Mut Nawalnys gepriesen und seine sofortige Freilassung verlangt. Der Sacharow-Preis wird seit 1988 an Menschen vergeben, die sich für die Verteidigung der Menschenrechte einsetzen.
Die Einsamkeit russischer Demokraten
Symbolische Preise und schöne Worte sind zu wenig, findet ABC:
„Die Preisverleihung fällt zusammen mit der Auflösung der 1989 von Andrei Sacharow gegründeten und vom Kreml verfolgten NGO Memorial und dem Gipfel, mit dem die EU gestern ihre moralische Unterstützung für diejenigen Länder bekundete, die unter der Bedrohung des russischen Imperialismus leben. ... Die Bürokratie in Brüssel hat der Einsamkeit und der Unterdrückung, unter denen russische Demokraten leiden, nicht mehr als eine automatische, reflexartige Reaktion entgegenzusetzen, in Form von Verurteilung, Sanktion und Klage. ... Die Wirkung dieser Politik ist gleich null, für Putin und erst recht für die Demokraten: Auf ihnen ruht die einzige Hoffnung auf Veränderung in Russland und seiner Einflusssphäre.“
So anders als Sacharow und doch ähnlich
Echo Moskwy vergleicht den Laureaten mit dem Namensgeber des Preises:
„Nawalny hat keine Manifeste und Konzepte verfasst und kam ohne Sentimentalität aus. Aber heute ist er das Synonym für Mut und die Bereitschaft, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen und sogar sein Leben zu riskieren. Das tat auch Sacharow, als er in seinen Marathon-Hungerstreik trat. Freiheitssymbole können so unterschiedlich sein: ein schlurfender, mühsam sprechender, gebeugter Greis - oder ein kerniger, vor Energie sprühender junger Mann, der wie ein Tribun auftritt. Erstaunlich, wie sich in beiden Fällen das Regime ähnelt: Die Breschnew-UdSSR wie auch Putins Russland sind trostlos, kapseln sich ab, suchen überall Feinde, knarzen in allen Gelenken, haben aufgeblähte Armeen und schwächelnde Ökonomien.“
Zivilisation der Brutalität
Die Auszeichnung Nawalnys kommt zu einem guten Zeitpunkt, findet Postimees:
„Gleichzeitig mit Nawalnys Ehrung sind wir Zeugen zweier neuer Repressionswellen gegen die Menschenrechte: In Russland läuft der Gerichtsprozess, der das Ziel hat, die Menschenrechtsgruppe Memorial zu verbieten. In Belarus haben die Gerichtsentscheidungen gegen die Opposition nun den Mann der Exilpolitikerin Swetlana Tichanowskaja erreicht. Sergej Tichanowski wurde zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt. Das zeigt, dass hinter unserer Ostgrenze planmäßig eine Zivilisation der Brutalität gebaut wird. Menschen haben die Wahl: Entweder sie akzeptieren die Brutalität, oder sie erfahren sie am eigenen Leib.“