Ein Jahr danach: Was bedeutet Sturm auf Kapitol?
Ein Jahr nach dem Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 will der Untersuchungsausschuss die Aussagen von Zeugen hören, die Trump aufgefordert haben sollen, die Gewalt zu stoppen. Darunter sollen hochrangige Berater des Ex-Präsidenten gewesen sein. Diese neuen Erkenntnisse sowie das denkwürdige Jubiläum regen Europas Presse zu einer Reflexion über den Zustand der Demokratie in den USA an.
Die Angreifer hatten Unterstützung von ganz oben
Die Rekonstruktion der Ereignisse lässt kaum einen Zweifel daran, dass Trump den Angriff gefördert hat, urteilt Corriere della Sera:
„Der parlamentarische Ausschuss hat die E-Mails und Textnachrichten von Beratern des Präsidenten veröffentlicht, darunter auch die seines Sohnes. Sie alle, sogar Ivanka Trump, baten ihn, die Unruhen zu beenden. Trump tat dies sehr spät an dem Tag, als das Kapitol bereits von echten Milizionären und anderen grotesken Gestalten wie dem 'Schamanen' bedroht war. … Die Kommission wird in den kommenden Monaten einen Abschlussbericht vorlegen. Sie wird höchstwahrscheinlich empfehlen, dass das Justizministerium den ehemaligen Präsidenten strafrechtlich verfolgt, weil er seine oberste Pflicht vernachlässigt hat: die Sicherheit der nationalen Institutionen zu gewährleisten.“
US-Amerikaner haben ihr Schicksal in der Hand
Der Niedergang der Demokratie in den USA ist für die Süddeutsche Zeitung weder ausgeschlossen noch unabwendbar:
„Das Schicksal der USA steht nicht irgendwo geschrieben im großen Buch der Geschichte. Es wird geformt und gelenkt von Millionen Bürgerinnen und Bürgern, die Entscheidungen treffen - gute oder schlechte, richtige oder falsche, für oder gegen die Demokratie. ... Am Ende ist es so: Amerikas Demokratie ... wird bedroht von denen, die vor einem Jahr glaubten, mit Gewalt auf ein Wahlergebnis antworten zu müssen, und die immer noch dieser Meinung sind. Aber diese Minderheit kann nur gewinnen, wenn die Mehrheit sie gewinnen lässt.“
Die Kontrolleure kontrollieren
Am Tag nach dem Sturm auf das Kapitol wurden die Social-Media-Konten von Donald Trump gesperrt. Das findet La Vanguardia jedoch alles andere als beruhigend:
„Mark Zuckerberg hatte Recht, Trumps Konten für unbestimmte Zeit zu sperren. ... Die große Frage ist jedoch, wer eine Entscheidung dieses Kalibers kontrolliert oder wem gegenüber Rechenschaftspflicht besteht. Das beunruhigende Grundproblem ist, dass Macht außerhalb demokratischer Institutionen ausgeübt werden kann, weil eine einzelne Person in der Lage ist, Millionen von Menschen mit toxischen Botschaften zu erreichen. ... Wer kontrolliert denn denjenigen, der uns alle kontrolliert? Oft ist es ja der, der Zugang zu den meisten Daten hat, die wir ihm mehr oder weniger freiwillig zur Verfügung gestellt haben.“
Beginn eines Alptraums
Sydsvenskan befürchtet ein Comeback des Ex-Präsidenten:
„Kann Donald Trump 2024 als US-Präsident zurückkehren? Es gibt viele Hindernisse, aber es ist nicht undenkbar. … Und wenn nicht Trump, dann ein Kandidat, den er krönen wird. In diesem Fall könnte der Angriff auf das Kapitol vor einem Jahr eher der Anfang als das Ende eines alptraumhaften Kapitels in der US-Geschichte sein.“