Causa Schönbach: Hat Berlin ein Russland-Problem?
Umstrittene Äußerungen von Deutschlands Marinechef Kay-Achim Schönbach zum russisch-ukrainischen Konflikt schlagen Wellen in Europa: Auch nach seinem Rücktritt warnt Kyjiw Berlin davor, die Lage zu verharmlosen. Die Einschätzung von Schönbach, Russland werde nicht in die Ukraine einmarschieren und wolle nur Respekt, bewertet die europäische Presse unterschiedlich.
Gefangen in Brandts Ostpolitik
Für Polityka ist die führende deutsche Regierungspartei einem unzeitgemäßen Denken verhaftet:
„Die deutschen Sozialdemokraten der älteren Generation, und diese sind in der SPD in der Mehrheit, sind noch immer in der Logik der Ostpolitik Willy Brandts mit ihrem Motto 'Wandel durch Annäherung' gefangen, konstatiert Die Zeit. Dabei wird vergessen, dass die derzeitige Situation genau umgekehrt ist. Damals ging es darum, dass Deutschland die Nachkriegsrealitäten, vor allem die Grenze an Oder und Neiße, anerkannte. ... Heute geht es darum, dass Russland die Grenzen der souveränen Ukraine anerkennt und Deutschland nicht nur seine Interessen, sondern auch internationale Prinzipien verteidigt.“
Eklat offenbart einen Strategie-Konflikt
Die Aufregung um die Aussagen des Vizeadmirals zeigt das Dilemma der westlichen Russlandpolitik, meint Ria Nowosti:
„Einer der Kommandeure der deutschen Armee - ein überzeugter Atlantiker - spricht davon, wie wichtig es für den Westen ist, Russland von China loszureißen. Wir sehen hier anschaulich den Kampf zweier Strategien innerhalb der atlantischen Elite: Ein Teil, die 'Ultraglobalisten', meinen, dass man mit aller Kraft Druck auf Russland und China machen muss und es egal ist, ob sie zusammen stehen oder nicht - man muss die Einhegung intensivieren, da der Westen keine Alternative dazu hat. Die anderen, die 'vorsichtigen Globalisten', meinen, dass der Westen mit gleichzeitigem Druck auf Moskau und Peking nur deren Allianz zementiert, gegen die er sich nicht wird behaupten können.“
Womöglich hat er recht
Lidové noviny hinterfragt die aufgeregten Reaktionen auf Schönbachs Äußerungen:
„Schönbach leugnete die Fakten wie die russische Truppenkonzentration nicht, interpretierte sie aber anders: Russland beabsichtige nicht die Ukraine zu besetzen. Putin wolle, dass der Westen ihn auf Augenhöhe behandle. ... Schönbach wich von den Linien der Bundesregierung, der Nato und des Westens ab. Einige würden sagen, er habe die Gelegenheit verpasst, zu schweigen. ... Aber auch hier kann nicht sein, dass Sachverhalte nur in einer einzig zulässigen Weise interpretiert werden dürfen.“