EU-Gipfel in Versailles: Zu vage Beschlüsse?
Die EU will weitere 500 Millionen Euro für Waffen und Ausrüstung des ukrainischen Militärs bereitstellen. Gleichzeitig hat sie die Hoffnungen Kyjiws auf einen schnellen Beitritt zur Union gedämpft. Die europäische Presse analysiert die Gründe für das Zaudern.
Union sendet unklare Signale
Tief enttäuscht vom EU-Gipfel zeigt sich Pravda:
„Natürlich ist eine EU-Mitgliedschaft für die sich im Krieg befindende Ukraine sehr weit entfernt. Dennoch wurde ein starkes politisches Signal erwartet. Vergeblich. Unklar blieb auch, wie wir vorgehen werden, wenn in der Ukraine wieder Frieden herrscht. ... Auch gegenüber Russland suchen wir vergeblich nach einem Zugang. Wir verlassen uns womöglich zu sehr auf breit angelegte Sanktionen, um die russische Wirtschaft zu brechen, Putin zu Verhandlungen zu zwingen und die Invasion zu beenden. Was, wenn genau das Gegenteil erreicht wird? Mehrere Experten weisen auf den falschen Ansatz nach dem Ersten Weltkrieg hin, als das harte Vorgehen gegen das besiegte Deutschland zur Radikalisierung und schließlich zur Machtübernahme durch die Nazis führte.“
EU muss Entschlossenheit unter Beweis stellen
Die EU-Staaten haben beim Gipfeltreffen zwar erneut Zusammenhalt demonstriert, bei der Umsetzung der beschlossenen Schritte drohen jedoch Uneinigkeit und Zaudern, beobachtet La Libre Belgique:
„In Versailles beteuerten die europäischen Staats- und Regierungschefs ohne großen Enthusiasmus, die 'europäischen Bestrebungen' der Ukraine zu unterstützen, ihre Uneinigkeit über einen möglichen EU-Beitritt ließ sich allerdings nicht verbergen. Sie verpflichteten sich, unabhängig von russischen Kohlenwasserstoffen zu werden, konnten sich aber nur schwer auf einen Zeitplan einigen, da einige stärker davon abhängig sind als andere. Wenn die schwierigsten Entscheidungen anstehen, wird die EU ihren Zusammenhalt und ihre Entschlossenheit unter Beweis stellen müssen.“
Andere Länder warten schon länger
Der beschleunigte EU-Beitritt der Ukraine könnte in der EU-Nachbarschaft zu Spannungen führen, beobachtet Népszava:
„Die EU-Mitgliedschaft [der Ukraine] ist nicht nur aufgrund der Voraussetzungen, die erfüllt werden müssten, eine sensible Frage. Wie würden zum Beispiel Montenegro oder Serbien, die schon seit Jahren auf irgendwelchen Fortschritt warten, darauf reagieren, dass die Ukraine früher Mitglied der Gemeinschaft werden kann, als sie? Oder wie sollte man das Nordmazedonien erklären, das trotz so vieler bereits erfüllter Kriterien nicht mal Beitrittskandidat sein konnte?“
Wem ein langer Krieg nutzt
Europa, das die ersten Auswirkungen spürt, versucht mit allen Mitteln ein schnelles Kriegsende zu erzielen, beobachtet Adevărul und findet, dass man das nicht von allen behaupten kann:
„Einige Maßnahmen der USA scheinen darauf hinzudeuten, dass sie ein Interesse daran haben, Russland in einen lang anhaltenden Konflikt zu verwickeln, der dem Land Ressourcen entzieht, es daran hindert, an anderen Fronten zu agieren, seine Beziehungen zu China schwächt und es möglicherweise zu einem Zusammenbruch des Putin-Regimes kommt. Wahrscheinlich will auch Russland aus vielen Gründen nicht, dass der Krieg noch lange dauert. Doch der Kreml, genauso wie weite Teile der russischen Gesellschaft sind bereit, ihn auszuhalten, wenn es keine andere Lösung gibt.“