Westsahara: Spanien stellt sich auf Marokkos Seite
Spanien hatte bisher immer eine neutrale Position im Konflikt um Westsahara eingenommen. Nun wurde ein Brief vom spanischen Premier Sánchez an den marokkanischen König Mohammad VI. publik: Westsahara als autonome Region ins marokkanische Staatsgebiet einzugliedern, sei als "realistischste und glaubwürdigste Basis" für eine Lösung des Konflikts anzusehen. Algerien zog aus Protest seinen Botschafter aus Madrid ab.
Das hat Westsahara nicht verdient
El País ist wütend auf Sánchez und vermisst Prinzipien:
„Während Spanien eine Kehrtwende in seiner traditionellen Politik vollzieht, nennt Marokko nicht einmal die Gegenleistungen. ... Erschwerend kommt hinzu, dass Algerien, ein Land, dessen bilateraler Handel mit uns dem Lateinamerikas entspricht und das heute ein wichtiger Gasexporteur ist, gestern aus Protest seinen Botschafter in Madrid abberufen hat. ... Wenn man Prinzipien hat, sollte die Anerkennung durch einen Prozess erreicht werden, bei dem die Sahrauis in Freiheit über ihre Zukunft entscheiden, im Einklang mit den Positionen der Uno. ... Westsahara verdient Lösungen, die sich nicht in bloßem Pragmatismus ohne Prinzipien erschöpfen und den Status des Gebiets zementieren.“
Unrecht verjährt offenbar
Für diejenigen, die in Westsahara für ihre Selbstbestimmung kämpfen, ist die spanische Kehrtwende eine Tragödie, kommentiert die Süddeutsche Zeitung:
„Diese Menschen verlieren mit Spanien ihren letzten Fürsprecher in Europa. Die Welt hat sich von ihnen abgekehrt, jenes Recht des Stärkeren droht sich durchzusetzen, das Putin auch in der Ukraine gerade durchzusetzen versucht. Es sind traurige Zeiten für Menschen wie die Aktivistin Aminatou Haidar, die man einst 'Gandhi der Westsahara' nannte und die nun erleben muss, dass Unrecht offenbar verjährt.“
Südflanke Europas endlich befrieden
Obwohl die spanische Linke die Befreiungsbewegung der Sahrauis üblicherweise unterstützt, kann die Journalistin Elisa Beni die Entscheidung von Sánchez auf dem linken Onlineportal eldiario.es nachvollziehen:
„An diesem geopolitischen und geostrategischen Wendepunkt sehe ich keinen Schaden darin, eine Lösung für die Südflanke der EU zu finden. Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt für Probleme mit Marokko, das unkontrollierte Flüchtlingsströme an der Südgrenze der EU zulässt, während wir uns mit Millionen von ukrainischen Flüchtlingen befassen. ... Ich habe nur einen Zweifel: Ist das gut gemacht worden, erzielen wir wirklich die festgestellten Vorteile, oder ist es schlecht gemacht und wird uns mehr Probleme bringen, zum Beispiel mit Algerien und seinem Gas?“