Deutsche Russlandpolitik: Weiter zu kremlfreundlich?
Spätestens seit Beginn des Ukraine-Krieges steht Deutschland wegen seiner bis dato russlandfreundlichen Politik zunehmend in der Kritik. Die lange umstrittene Pipeline Nordstream 2 wurde zwar auf Eis gelegt, Deutschland bezieht aber weiterhin Energie aus Russland und lehnt einen sofortigen Importstopp aus wirtschaftlichen Gründen ab. Kommentatoren stößt das sauer auf.
Und Berlin dachte, es versteht Moskau am besten
Deutschland hat sein Wissen überschätzt, stellt Rzeczpospolita fest:
„In den Wochen vor dem Krieg wurden in Berlin die Warnungen der Amerikaner, Wladimir Putin stehe kurz davor, die größte Militäroperation in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg zu starten, belächelt. Deutschland, das durch ein dichtes Netz von Wirtschaftsbeziehungen mit Russland verbunden ist, war überzeugt, dass es besser als jeder andere im Westen in der Lage ist, den nächsten Schritt des Kremls vorherzusehen und seine Politik entsprechend anzupassen. Es stellte sich jedoch heraus, dass all dieses Wissen keinen Pfifferling wert war.“
Noch keine echte Kurskorrektur
Auch unter Scholz wird Berlin seiner verteidigungspolitischen Verantwortung für Osteuropa nicht gerecht, beklagt die Neue Zürcher Zeitung:
„Die deutsche Sicherheitspolitik leidet vor allem daran, dass Gesellschaft und Politik Gewalt nicht als manchmal notwendiges und moralisch legitimiertes Mittel der Auseinandersetzung akzeptieren. Wer Militär besitzt, muss damit umgehen können, zu töten. Deutschland kann das nicht. ... Deutschland hat keinen Sinn für Geopolitik, also für die Erkenntnis, dass geografische Räume machtpolitisch kein Vakuum bleiben. ... Erst wenn Deutschland nicht mehr erpressbar ist, verdient die Kurskorrektur das Prädikat Zeitenwende. Berlin sollte in der EU einen Importstopp für russische Energie fordern, solange Moskaus Truppen in der Ukraine wüten.“
Es soll keinen Kniefall von Kyjiw geben müssen
Das nonprofit-Medienprojekt Ukraïner veröffentlicht einen anonymen Kommentar, der der deutschen Regierung eine Mitschuld am russischen Verhalten vorwirft:
„Auf einem Foto, das am 7. Dezember 1970 in Warschau aufgenommen wurde, ist der deutsche Bundeskanzler Willy Brandt zu sehen, der vor dem Denkmal für die Opfer des Warschauer Ghettos kniet. ... Es ist möglich, dass ein anderer deutscher Bundeskanzler in 20 Jahren in Kyjiw vor dem Denkmal für die Opfer der russischen Aggression um Vergebung für die Politik von Merkel und Scholz gegenüber der Ukraine bitten wird. Ja, Deutschland tötet dieses Mal niemanden. Aber in den letzten acht Jahren hat das Land Russland geholfen, Morde zu begehen. … Glücklicherweise wollen nicht alle Deutschen die Schande auf sich nehmen, den Krieg nicht rechtzeitig gestoppt zu haben.“