Lettland: Diskussion um 9. Mai in Riga
In Riga feiern jedes Jahr am 9. Mai mehr als 100.000 russischsprachige Letten die Befreiung vom Nationalsozialismus durch die Sowjets. Nun hat Bürgermeister Staķis überlegt, die Feierlichkeiten dieses Jahr zu verbieten, weil sie auch als Sammelpunkt für Putin-Anhänger dienen. Lettlands Premier Kariņš bezeichnete das Fest als "Verherrlichung der Besetzung unseres Landes" und schließt ein Verbot auf nationaler Ebene nicht aus.
Gefahr für die Sicherheit Lettlands
Die Innenministerin hat in einem Radiointerview angekündigt, dass trotz Verbots eine Gedenkveranstaltung für die, die im Krieg Familienmitglieder verloren haben, möglich sein soll. Für die EU-Abgeordnete Inese Vaidere ist dies in Latvijas Avīze nicht akzeptabel:
„Hat die Innenministerin wirklich vor, Stammbäume von Menschen zu prüfen, die zum Besatzungsdenkmal kommen werden? Versteht sie nicht wirklich, wie beleidigend diese Veranstaltung für die Opfer des Totalitarismus in der Ex-Sowjetunion und ihre Familien ist? Und sieht sie als Verantwortliche für die innere Sicherheit unseres Landes bei diesen Aktivitäten diejenigen, die Anhänger des Z-Symbols versammeln, nicht als ernsthafte Bedrohung der Sicherheit Lettlands? ... Die Idee der Ministerin, dass so etwas stattfinden kann, ist absolut inakzeptabel.“
Das Problem nicht von oben lösen
Philosoph Artis Svece entgegnet im Onlineportal Satori:
„Die Letten missverstehen den 9. Mai. Wir fassen diese Feiern zu wörtlich auf - als Verherrlichung der Besatzung und Sehnsucht nach dem Reich. ... Teilweise haben wir Recht. ... Ich würde [aber] sagen, dass der 9. Mai zu einer Feier der Identität der russischen oder russischsprachigen Gemeinschaft Lettlands geworden ist. Da wird der Toten gedacht, aber dies ist kein Trauertag. Auch wenn viele mit Symbolen von Putins Russland geschmückt sind, der Rest ist gekommen, um unter Seinesgleichen zu sein. Ich würde sagen, das Problem mit dem 9. Mai können die Letten nicht lösen. Das Verbot ist eine schlechte Idee. ... Dies ist der Moment, in dem die russische Gemeinschaft in Lettland selber mit Vorschlägen kommen muss.“
Den Feiertag mit neuer Bedeutung füllen
Auch in Estland ist der 9. Mai umstritten. Õhtuleht findet:
„Es ist klar, dass das Marschieren um den Bronzesoldaten in russischer Uniform auch früher bewusst provokativ war, ganz zu schweigen von den Märschen des 'Unsterblichen Regiments', mit denen die Grenzen des Erträglichen in Estland ausgetestet wurden. Per Gesetz Symbole zu verbieten, ist eine Gratwanderung, gibt aber eine klare Botschaft, dass die Nutzung unerwünscht ist. Im Licht des von Russland initiierten Krieges könnte man dem Europatag am 9. Mai auch neuen Inhalt geben, zum Beispiel in Zusammenarbeit mit ukrainischen Flüchtlingen und Kriegsgegnern aus Russland.“