Erster Mai: Wie steht es um die Arbeiterbewegung?
Am Internationalen Tag der Arbeit hat es in vielen Ländern die traditionellen Kundgebungen gegeben. Auch aufgrund der sich ändernden Beschäftigungsverhältnisse in der postindustriellen Gesellschaft haben die Proteste jedoch an Schlagkraft verloren. Europas Presse debattiert ernüchtert.
Nichts als Floskeln von den Linken
Dass sich nicht einmal die linke Opposition am Tag der Arbeit ernsthaft mit den Rechten der Arbeiter auseinandersetzt, ärgert Jutarnji list:
„Ohne irgendeinen Inhalt, progressive Ideen oder gar Kontroversen, wegen derer eine öffentliche Diskussion angeheizt würde, reihten die Politiker der sozialdemokratischen und linken parlamentarischen Parteien Botschaften aneinander, an die sich heute schon niemand mehr erinnern wird. ... In Kroatien wird schon seit anderthalb Jahren über ein neues Arbeitsgesetz diskutiert, die Sozialpartner können sich nicht einigen und die Regierung zieht eine Lösung in die Länge. Natürlich ist die Frage des Arbeiterrechts nicht nur für die Linken reserviert, aber in allen Gesellschaften ist sie Thema Nummer eins für die linken Parteien. Außer bei uns.“
Gewerkschaften veraltet, aber unverzichtbar
Der Kampf für die Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter muss sich anpassen, fordert El País:
„Technologischer Wandel, Automatisierung, Telearbeit und künstliche Intelligenz werden Millionen von Arbeitnehmern unmittelbaren Veränderungen aussetzen. ... Dies ist eine Herausforderung, auf die nicht nur die politischen Parteien, sondern auch die Gewerkschaften reagieren müssen. Diese stellen fest, dass die jüngeren Generationen eindeutig unzufrieden sind mit den veralteten Gewerkschaftsstrukturen und -strategien. ... Die Skepsis mag berechtigt sein, aber auch die demokratische Gewissheit, dass sich ohne Gewerkschaften für die Arbeitnehmer nichts verbessern würde, ist es.“
An der Ausbeutung hat sich nichts geändert
Die Probleme der Arbeiterklasse haben sich in der Form, nicht aber im Wesen geändert, beobachtet der Publizist Lajos Köteles in Népszava:
„Die traditionelle Arbeit wurde durch einen viel komplizierteren Begriff, die Wertschöpfung ersetzt, deren wichtigstes Element das Wissen ist. Und die Arbeiterklasse, die damals auf Handarbeit basiert war, wurde durch eine vielfach gespaltene Gesellschaft abgelöst. Viele behaupten, dass sich alles grundsätzlich verändert habe, das ist aber nicht wahr. ... Die Gesellschaft, die ihren Lebensunterhalt mit Arbeit verdient, steht weiterhin der Welt der immer unbescheideneren Reichen gegenüber. Die Formen der Ausbeutung sind anders geworden, doch der Kern des Problems ist bis heute unverändert.“
Proteste eher ein Aprilscherz
Dass am Tag der Arbeit eher gefeiert als demonstriert wird, ärgert Peščanik:
„Die Proteste zum ersten Mai sind schon seit Langem nicht mehr so zahlreich wie die Grillfeste am selben Tag. Man könnte sogar sagen, dass je schwerer es für die Arbeiter bei der Arbeit ist, desto weniger die Zahl derer, die zumindest einmal im Jahr ihrer Unzufriedenheit Ausdruck verleihen. ... Deshalb erinnert der 1. Mai als Internationaler Tag der Arbeit eher an den 1. April, den Internationalen Tag des Aprilscherzes. Denn obwohl unsere Arbeiterrechte auf einem historischem Tiefstand sind, scheinen doch alle glücklich: Politiker, Arbeitgeber und sogar die Arbeiter.“