Fußball-EM: England holt den Siegerpokal
Begeisterung bei den Engländerinnen, Trauer bei den Deutschen: In einem spannenden Finale im Londoner Wembley Stadion hat das Team der "Löwinnen" mit einem 2:1 die Fußball-Europameisterschaft der Frauen gewonnen. Das entscheidende Tor fiel in der Verlängerung. Kommentatoren wünschen sich positive Nachwirkungen der überzeugenden Spiele.
Gesellig und bezahlbar
So sieht Fußball für alle aus, freut sich The Guardian:
„Der Siegeszug der englischen Frauen kann als Modell für bezahlbaren Fußball dienen. ... Das Publikum bei den Spielen war in jeder Hinsicht vielfältiger. Mütter und Väter konnten ihre Töchter und Söhne mit zum Spiel bringen, ohne dabei ihre Kreditkarten überstrapazieren zu müssen. Die Generation Z war zahlreich zugegen. Ein weiblicheres Publikum sorgte für eine gesellige Atmosphäre in den Stadien, die meilenweit von der ätzend-hitzigen Atmosphäre entfernt war, die das Finale der Männer zwischen England und Italien im Jahr 2020 umgab.“
Von Fairplay noch weit entfernt
Es muss noch mehr für den Frauenprofisport getan werden, fordert Le Monde:
„Abgesehen davon, dass Frauensportarten weniger im Fernsehen übertragen werden, beschränkt sich die Berichterstattung noch zu oft auf das Aussehen, das Alter oder das Familienleben der Athletinnen, während bei den Männern mehr die Leistungen gewürdigt werden. Es gibt noch sehr viele Bereiche, in denen Fortschritte gemacht werden müssen. Bei der Förderung der weiblichen Jugend, der Forderung nach gleichem Gehalt, der Professionalisierung, die dafür sorgt, dass der Sport nach außen hin attraktiver wird, oder auch bei der Weiterentwicklung der Gremien, die immer noch zu sehr von Männern dominiert sind. Der Sport muss zu den Werten passen, die er vertritt.“
Noch bleibt der Gender Pay Gap
La Vanguardia kommentiert:
„Die Unterschiede zum Männerfußball sind nach wie vor eklatant. ... Die sechzehn qualifizierten Mannschaften haben sich 16 Millionen Euro geteilt, doppelt so viel wie 2017, aber man darf nicht vergessen, dass die UEFA für die Europameisterschaft 2021 der Männer 371 Millionen Euro an die qualifizierten Länder verteilt hat. ... Fußball wird von Fußballern gespielt, seien es Männer oder Frauen, und deshalb ist der Erfolg dieser Europameisterschaft der Erfolg des Fußballs. Ein Sport, der beide Geschlechter anzieht, in dem aber noch eine große Lücke klafft, die durch Veranstaltungen wie das Turnier in London zweifellos verkleinert werden kann.“
Bessere Vorbilder als männliche Stars
Die siegreichen englischen Fußballerinnen haben nicht nur sportlich, sondern auch charakterlich überzeugt, jubelt The Daily Telegraph:
„Sie motivieren andere auf großartige Weise, sich vom Sofa zu erheben und zu bewegen. Das allein könnte die körperliche und geistige Gesundheit von Frauen und Mädchen zum Besseren verändern. Eine kürzlich von der Wohltätigkeitsorganisation Nuffield Health durchgeführte Umfrage ergab, dass fast die Hälfte der befragten Frauen in den vergangenen zwölf Monaten keinen intensiven Sport betrieben hatte. Doch das vielleicht Bemerkenswerteste am Verhalten der 'Löwinnen' während der Europameisterschaft war ihr offensichtlicher Mangel an eigensinnigem Individualismus, der für männliche Elite-Fußballer charakteristisch ist.“
Bald auch Polen im Frauenfußball-Rausch?
Gazeta Wyborcza setzt auf die polnischen Sportlerinnen:
„Es ist kaum zu glauben, dass noch vor einem halben Jahrhundert Frauen das Fußballspielen verboten war, so abstrus wie die Tatsache, dass Frauen in der Schweiz zu einem ähnlichen Zeitpunkt noch nicht das Wahlrecht hatten. Jetzt herrscht auf den Britischen Inseln helle Aufregung. Die Sportlerinnen sind die Heldinnen auf den Titelseiten der Zeitungen und großen Websites. ... Steht uns hierzulande auch ein solcher Rausch bevor? Das ist nicht ausgeschlossen. Polen bewirbt sich um die Ausrichtung der Europameisterschaft im Jahr 2025. ... Unsere Spielerinnen werden immer besser, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis unsere Mannschaft in Europa anfängt, erfolgreich mitzumischen.“
Den Hype nutzen
Yle hofft, dass sich die Begeisterung für die EM nun auch auf nationaler Ebene positiv auswirkt:
„Als Nächstes muss sich der Blick auf die großen Ligen richten. Wir müssen die Spiele auch in den nationalen Ligen glaubwürdig und attraktiv machen. Im Alltag muss nun der Hype um die Europameisterschaft ausgenutzt werden, vor allem in England, das seine erste EM-Goldmedaille feiert. Es müssen Fußball-Events geschaffen werden, zu denen die Vereine nicht nur Einheimische, sondern auch Touristen anlocken, die bereit sind, für Eintrittskarten zu zahlen, auch wenn das Interesse an ihnen zwangsläufig zu höheren Preisen führen wird.“