Was bedeutet die Holocaust-Relativierung von Abbas?
Palästinenserpräsident Abbas hat am Dienstag in Berlin in einer Pressekonferenz mit Bundeskanzler Scholz gesagt, Israel habe seit 1947 "50 Massaker, 50 Holocausts" an Palästinensern begangen. Am Mittwoch relativierte er die Äußerungen: Er habe die Einzigartigkeit des Holocaust nicht infrage stellen wollen. Für Kommentatoren ist nicht nur das Verhalten von Abbas Anlass für Kritik.
Ein Bundeskanzler muss bei so etwas widersprechen
Für tagesschau.de ist das Verhalten von Scholz völlig unverständlich:
„Die Einmaligkeit des Verbrechens namens Holocaust ist deutsche Schuld und Schande. Die Relativierung auf deutschem Boden im Amtssitz eines deutschen Kanzlers ist ungeheuerlich und hätte mehr gebraucht, als nur eine versteinerte Miene und die hilflose Geste, ausgerechnet einem Boulevardblatt anschließend mitzuteilen, der Kanzler sei wirklich empört gewesen. Und er habe nur nicht widersprochen, weil sein Sprecher die Pressekonferenz zuvor beendete. Ernsthaft? Ein Bundeskanzler beendet Pressekonferenzen. Und ein Bundeskanzler widerspricht, wenn der Holocaust, die deutsche Schuld, relativiert wird.“
Das war nicht das erste Mal
Die Äußerungen des Palästinenserpräsidenten fügen sich in ein Muster, erinnert Die Presse:
„Es ist nicht das erste Mal, dass Abbas mit Bemerkungen zum Holocaust auffällt. In seiner Doktorarbeit, verfasst Anfang der 1980er Jahre an einer russischen Universität, schrieb er, zionistische Gruppen hätten die Nazis beim Holocaust unterstützt, um die übrigen Juden zur Flucht nach Palästina zu bewegen. 2018 behauptete er in einer Rede, die Nationalsozialisten hätten ihren Völkermord an den Juden nicht wegen deren 'religiöser Identität', sondern deren gesellschaftlichen Aktivitäten begangen, etwa 'Wucher und Bankwesen'. Nach scharfen internationalen Reaktionen entschuldigte Abbas sich. Sein Auftritt in Berlin deutet nicht daraufhin, dass er aus dem vergangenen Skandal gelernt hätte.“
Eine unheilbare Krankheit
Die Worte von Abbas zeigen für Corriere della Sera die Unlösbarkeit des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern:
„Der 87-jährige Palästinenserführer versuchte, sich selbst zu korrigieren, indem er eine Erklärung abgab, in der er den Holocaust als das 'abscheulichste Verbrechen der modernen Geschichte' bezeichnete und jegliche Absicht bestritt, seine Einzigartigkeit geleugnet haben zu wollen. Zu spät. Beim Betrachten der Bilder der Pressekonferenz wird einem bewusst, dass der israelisch-palästinensische Konflikt, der durch den Wunsch seiner Hauptakteure nach einer Nicht-Lösung noch verworrener wird, auf höchst gefährliche Weise von einer dunklen Krankheit gezeichnet ist. Die Worte, die in Berlin gefallen sind, lassen befürchten, dass sie unheilbar ist.“