Österreich: Van der Bellen wiedergewählt
Alexander Van der Bellen hat sich gegen seine Herausforderer durchgesetzt und bleibt Bundespräsident von Österreich. Der ehemalige Grünen-Chef holte 57 Prozent der Stimmen. Vier der sechs Konkurrenten von Van der Bellen vertraten rechtspopulistische Positionen, gemeinsam errangen sie mehr als 30 Prozent. Kommentatoren sehen die Wahl als Gradmesser für die Stimmung.
Stabilität und Ausgeglichenheit
Der wiedergewählte Staatschef verkörpert nach Meinung von Aktuality.sk das Beste, was Europa zu bieten hat:
„Die Gründe für seinen Erfolg liegen in der Stabilität und Ausgeglichenheit, für die Van der Bellen während seiner ersten Amtszeit als Präsident gesorgt hat. Er führte das Land durch die Fallstricke der Pandemie und durch politische Spaltungen, musste in sechs Jahren fünf neue Regierungen ernennen. Nach der russischen Aggression nahm er eine eindeutig pro-ukrainische Haltung ein und stellte sich in Einwanderungsfragen auf die Seite der Flüchtlinge. ... Mit ihm verbindet sich die Hoffnung, dass Österreich auch in den nächsten sechs Jahren ein berechenbares Land sein wird, fest verankert im Herzen Europas.“
Er hat auch enttäuscht
Der Schein kann trügen, meint Večer:
„Van der Bellen gewann die Wahl - verglichen mit den zur Wiederwahl gestandenen österreichischen Bundespräsidenten - mit der geringsten Unterstützung seit 70 Jahren. Seine rechten Gegner gewannen zusammen mehr als ein Drittel der Stimmen; vor allem junge Leute stimmten nicht für Van der Bellen. Warum? Vielleicht auch deshalb, weil er vor einem Monat auf die Frage eines Journalisten nach den Preissteigerungen, die den jungen Menschen zu schaffen machen werden, geantwortet hat: 'Sie werden eben die Zähne zusammenbeißen müssen.' Und diese zynische Reaktion könnte ein schlechtes Omen für viele derzeitige europäische Führer sein.“
Auch mal der Regierung Dampf machen
Die Boulevardzeitung Österreich wünscht sich einen aktiveren Bundespräsidenten:
„Das [Ergebnis] ist für einen amtierenden Präsidenten alles andere als ein Ruhmesblatt - insbesondere nachdem alle Parteien bis auf die FPÖ ihn unterstützt hatten. ... Der Unmut über Van der Bellens Amtsführung ist größer, als das gestrige Ergebnis vermuten lässt. Der Bundespräsident sollte für die nächsten 6 Jahre seiner Amtszeit daraus die richtigen Schlüsse ziehen: Die Österreicher wünschen sich einen aktiveren Präsidenten, der sich bei wichtigen Themen klarer (und vor allem schneller) zu Wort meldet. Und einen Präsidenten, der die Regierung auch einmal zu sich in die Hofburg zitiert (und zurechtweist), wenn im Kanzleramt wieder einmal nichts weitergeht.“
Die Versöhnung ist nicht gelungen
Auch der bürgerlich auftretende Van der Bellen konnte viele Wählerschichten nicht erreichen, analysiert die Kleine Zeitung:
„Van der Bellen verglich in seiner Siegesrede vor sechs Jahren das gespaltene Land mit zwei getrennten Hälften, die er wieder zusammenfügen wolle. Dem Ziel ordne er alles unter. Ganz erreicht hat er es in seiner ersten Etappe nicht. Als die große, einigende Instanz und Klammer wird er offenkundig noch nicht wahrgenommen, sonst wäre die Bestätigung als Oberhaupt höher und noch deutlicher ausgefallen.“