Aufatmen nach Wahl Van der Bellens in Österreich?
Alexander Van der Bellen wird neuer Präsident Österreichs. Der ehemalige Grüne gewann mit 53,8 Prozent vor Norbert Hofer, dem Kandidaten der rechten FPÖ. Zwar haben sich die Österreicher erfolgreich dem Populismus-Trend widersetzt, doch die Rechten gehen gestärkt aus der Wahl hervor, warnen Kommentatoren.
Hofer-Niederlage stachelt Rechte nur an
Nach dem Sieg Van der Bellens ist die Gefahr des Rechtspopulismus noch lange nicht gebannt, warnt der öffentlich-rechtliche Hörfunksender Český rozhlas:
„Es ist gut möglich, dass die Wahl Van der Bellens zur Stärkung der FPÖ bei der Parlamentswahl 2018 beiträgt. Die Partei hat vor allem mit dem Thema Migration eine große Popularität erzielt. Die Menschen spüren, dass die Situation nicht ideal ist und nach Reaktionen verlangt. ... Die regierenden Sozialdemokraten und Konservativen müssen aus der Präsidentenwahl lernen. Das wird ihnen nicht leicht fallen, weil sie es gewohnt sind - von kurzen Pausen abgesehen - schon dutzende Jahre gemeinsam zu regieren. Die Wähler stören sich zunehmend an dieser Aufteilung der Macht. Sollten die SPÖ und die ÖVP erneut die Chance bekommen, gemeinsam zu regieren, werden sie diese Chance sicher nutzen. Gehen die Wahlen für sie schlecht aus, werden sie ihr Heil in einer Koalition mit der FPÖ suchen. “
FPÖ stärker als zuvor
FPÖ-Kandidat Norbert Hofer wird zwar nicht Bundespräsident, dennoch geht seine Partei gestärkt aus der Wahl hervor, analysiert auch Der Standard:
„Hofer selbst hat noch in der Wahlnacht gedroht, dass in ihm ein schlafender Bär geweckt worden sei. Tatsächlich ist es den Freiheitlichen gelungen, neben Parteichef Heinz-Christian Strache eine zweite zentrale Figur aufzubauen, mit der sich ein Wahlkampf bespielen lässt. Dass in der FPÖ ein Machtkampf zwischen den beiden ausbrechen könnte, entspricht dem Wunschdenken der Medien. Wahrscheinlicher ist, dass die FPÖ mit einem selbstbewussten Duo antritt.“
Österreicher fallen nicht auf Populisten herein
Nach dem Brexit-Votum und der Wahl von Donald Trump hat sich Österreich dem Siegeszug der Populisten widersetzt, erklärt der Kurier:
„[Es] ist interessant, dass sich Österreich von dem Populismus-Trend vieler anderer Länder abgekoppelt hat. Der Brexit hat gezeigt, dass es einem Land schadet, wenn Politiker eine wunderbare Zukunft versprechen und kurz darauf eingestehen müssen, dass sie mit erlogenen Zahlen und Argumenten aufgetreten sind. Und die ersten Entscheidungen von Donald Trump zeigen, dass er sich um seine Wähler einen feuchten Kehricht schert und nur an seine superreichen Buddies denkt. Außerdem suchen die Menschen Stabilität, die bringt weder der Brexit noch Trump, Van der Bellen hat sie signalisiert. Der Populismus ist damit noch nicht vorbei, aber er wird entzaubert.“
Prinzipientreue zahlt sich aus
Die Österreicher haben das Ansehen des Landes und die Sorge vor einer Isolierung in der EU über ihre Unzufriedenheit mit den politischen Verhältnissen gestellt, konstatiert Pravda und sieht drei konkrete Gründe für den Sieg Van der Bellens:
„Mit Van der Bellen gewann eine politische Strömung, die nach Trump und dem Brexit schon perspektivlos zu sein schien. Doch Van der Bellen rückte keinen Millimeter von seinen Prinzipien ab, obwohl das nicht ohne Risiko war. Er verfolgte ein anderes Konzept von 'Heimat' als die Nationalisten in ganz Europa. ... Der Sieger machte zugleich klar, dass es nicht nur um die Person des Präsidenten geht, sondern um die Zukunft des Landes innerhalb Europas. ... Drittens schließlich konnte Norbert Hofer sein freundliches Gesicht als Wolf im Schafspelz nicht bis über die Ziellinie retten, dank dessen er lange nicht so sehr als gefährlicher Radikaler, sondern als hinnehmbarer Patriot angesehen wurde.“
Glücksgefühle sind fehl am Platz
Der Sieg Van der Bellens bei der österreichischen Präsidentenwahl ist einer überraschend starken zivilgesellschaftlichen Bewegung zu verdanken, analysiert die taz:
„[Sie hat dazu geführt], dass so ziemlich alles, von christdemokratischer Mitte bis zur Linken, am Sonntag zum Wählen gebracht wurde, dass alle in ihrem Bekannten- und Familienkreis mobilisiert haben. Das gab dann letztlich den Ausschlag. Allemal Grund zur Erleichterung. Aber Glücksgefühle sind fehl am Platz. Denn immer noch haben genügend Wähler und Wählerinnen einen Mann und damit auch die hinter ihm stehende Partei gewählt, die das Land mit einer Welle von Lügen, von Hass und von persönlicher Verächtlichmachung aller Gegner überzogen haben, die JournalistInnen an den Pranger stellten. Die Politik des permanenten Zwietrachtsäens hat nicht die Mehrheit erobert. Aber vergessen wir dennoch nicht: Die rechtsradikalen Freiheitlichen haben einen Wähleranteil gewonnen, von dem sie bisher nur träumen konnten.“
Liberale Demokratie weiter verteidigen
Mit der Wahl Alexander van der Bellens zum Bundespräsidenten ist noch keine Trendwende vollzogen, warnt Sydsvenskan:
„Wenn Front-National-Chefin Marine Le Pen Präsidentin würde, könnte eines der wichtigsten und größten Mitgliedsländer der EU gemeinsame Sache mit den Rechtspopulisten in Osteuropa machen, die EU schwächen und sich in Richtung Putin orientieren. ... Das Echo der marschierenden Truppen des vergangenen Jahrhunderts kann Schrecken auslösen. Aber man kann auch eine wichtige Lehre aus der Geschichte ziehen: Veränderungen kommen schnell und das Erreichte und die liberale Demokratie können nicht als selbstverständlich hingenommen werden. EU-Länder müssen ihre Stimme gegen Mitgliedsstaaten erheben, die die Menschenrechte nicht achten. Populismus und Nationalismus muss aber auch eine glaubwürdige Politik entgegengehalten werden, die auf Wohlfahrt sowie auf die Vision einer Zukunft mit einer offenen und demokratischen Gesellschaft setzt.“