Lettland erinnert an Barrikadenkampf 1991
Im Januar 1991 versuchten Gegner der Unabhängigkeit Lettlands von der Sowjetunion mit gewaltsamen Mitteln die Republik zu stürzen und alte Herrschaftsverhältnisse wiederherzustellen. Gegen diese aggressiven Vorstöße errichteten Bürgerinnen und Bürger erfolgreich Barrikaden, um strategisch wichtige Gebäude zu schützen. Kommentatoren denken an diese Zeiten zurück und debattieren nötige Konsequenzen.
Nicht mit bloßen Händen dastehen
Auch über drei Jahrzehnte später sollte man vorbereitet sein, die Unabhängigkeit aufs Neue verteidigen zu müssen, mahnt Ir:
„Die friedliche Verteidigung der Barrikaden hat der Welt damals gezeigt, dass wir bereit sind, etwas zu riskieren, um unsere Unabhängigkeit wiederzuerlangen. ... Jetzt ist Lettland wieder ein unabhängiges Land, ein Teil der Nato, und wir können und sollten unsere Barrikaden mit mehr als mit den bloßen Händen verteidigen. Wie wir in der Ukraine immer wieder sehen, kennt Moskau kein Mitleid - weder mit Zivilisten noch mit gefangenen Soldaten, ja nicht einmal mit seinen eigenen Soldaten.“
Der Westen handelt egoistisch
Journalist Bens Latkovskis vergleicht in Neatkarīgā die Barrikadenzeit von 1991 mit dem Krieg in der Ukraine:
„Wie naiv waren wir damals, als wir dachten, der Westen würde uns immer noch vom Joch der Besatzung befreien. ... Das Hauptanliegen der Führer des Westens, einschließlich der Vereinigten Staaten während der 'Perestroika'-Periode war es sicherzustellen, dass die UdSSR nicht in getrennte Blöcke gespalten wird. Bei jedem Treffen mit westlichen Politikern mussten wir uns anhören, milder zu sein, keine Unabhängigkeit zu fordern und Gorbatschows Gegnern keine Gelegenheit zu geben, die Situation zu eskalieren. Wenn es heute um Lieferung von Kampfpanzern an die ukrainische Streitkräfte geht, steckt derselbe Grund dahinter. ... Den Chef des Kremls nicht zu ärgern und ihn in einem solchen Rahmen zu halten, dass wir selbst unser friedliches Leben ohne Sorgen führen können.“
Die Balten nabeln sich jetzt komplett ab
Tygodnik Powszechny beobachtet eine nachgeholte "Derussifizierung" im Baltikum:
„Zwar haben sich die baltischen Länder 1991 von der sowjetischen Besatzung befreit, doch erleben sie heute durch den Krieg in der Ukraine gewissermaßen eine Fortsetzung dieses Prozesses. Straßennamen werden derussifiziert, Schulen umbenannt, und bald wird es in Lettland und Estland keinen russischsprachigen Unterricht mehr geben. Einige Balten fragen sich, ob es angesichts des Angriffskriegs angemessen ist, Nussknacker-Aufführungen zu besuchen. Kürzlich musste sogar der russische oppositionelle Fernsehsender Doschd Riga verlassen.“