IOC will Russen als "neutrale" Athleten bei Olympia
Russische und belarusische Sportler können sich Hoffnungen machen, bei den Olympischen Sommerspielen 2024 unter neutraler Flagge antreten zu dürfen. In den meisten Sportarten dürfen sie aufgrund des Krieges gegen die Ukraine derzeit nicht an Wettkämpfen teilnehmen. IOC-Chef Thomas Bach erklärte nun, es widerspreche der olympischen Charta, Sportler wegen ihres Passes auszuschließen. Europas Presse diskutiert kontrovers.
Auf Bach kann sich Putin verlassen
Für die Badische Zeitung kommt der Vorstoß nicht überraschend:
„Gute Freunde helfen einander. ... Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) wäre nie so mächtig geworden, hätte der Staatspräsident Russlands ihn nicht so konsequent unterstützt. Bachs Aufstieg in den obersten Olymp vollzog sich parallel zu Putins Strategie, immer mehr Einfluss zu nehmen auf die Welt des Sports. In zahlreichen Verbänden sitzen russische Funktionäre, in viele Sportarten floss und fließt russisches Geld. ... Wenn Russlands Präsident die Menschenrechte mit Füßen tritt, zerstört er damit aber auch die Werte des Sports. Das sollte eigentlich zum Bruch jeder Freundschaft führen. Auf Thomas Bach kann sich Wladimir Putin aber bis zuletzt fest verlassen.“
Keine nützlichen Idioten sein
Diktaturen nutzen Sportereignisse immer gern für die Selbstvermarktung, warnt Aftonbladet:
„Russland und Putin nutzen Sportswashing, weil es funktioniert. Sport ist etwas, das die Welt zusammenbringt. Es ist eine Sprache, die jeder spricht, unabhängig davon, wo Sie geboren wurden. ... Diktaturen würden keine Unsummen für die Organisation von Sportmeisterschaften, den Kauf von Fußballvereinen oder das Sponsoring von Sportlern ausgeben, wenn es nicht funktionieren würde. Es hilft niemandem, dass wir uns wie nützliche Idioten aufführen.“
Nur Kriegskritiker sollten starten dürfen
Der bis Kriegsbeginn in Russland tätige ukrainische Regisseur und Produzent Oleksandr Rodnjanskyj findet den Vorschlag in einem von Echo übernommenen Telegram-Post nur unter einer Bedingung akzeptabel:
„Wenn sich ein russischer Sportler laut und unmissverständlich gegen den Krieg ausgesprochen und Schuldige und Opfer benannt hat, kann er oder sie unter neutraler Flagge antreten. Wenn er schweigt oder, schlimmer noch, die Tötung von Zivilisten unterstützt, auf keinen Fall. ... Die nächsten Olympischen Spiele sollen am 24. Juli 2024 in Paris beginnen. Ich hoffe sehr, dass der Krieg bis dahin vorbei ist. Beendet mit einem Sieg der Ukraine. Und dass das ukrainische Team in voller Stärke antreten kann. Mit allen, die überlebt haben.“
Sportler nicht für ihre Regierungen bestrafen
Pravda gibt zu bedenken:
„Wir können russische Sportler oder Künstler nicht verunglimpfen, weil sie nicht öffentlich gegen das Putin-Regime protestiert oder militärische Gräueltaten in der Ukraine verurteilt haben. Russland ist keine Demokratie, sondern eine Diktatur. Egal, wie berühmt ein Sportler oder Künstler dort auch ist, er hat null Einfluss auf die Entscheidungen der Politiker. Wenn sie sich dem Regime widersetzen, schadet das Regime ihrer Familie. Die Wut des ukrainischen Präsidenten Selenskyj, der russischen Athleten die Teilnahme an Olympia verwehren will, ist berechtigt und nachvollziehbar. ... Das IOC hat es daher nicht leicht. Der Kompromissvorschlag mit 'neutralen' Athleten scheint da ein vernünftiger Ausgangspunkt zu sein.“
Breiter Boykott unwahrscheinlich
Neatkarīgā glaubt nicht, dass nun viele Staaten ihre Teilnahme in Paris absagen:
„Die Ukraine wird die Spiele boykottieren. Was macht der Rest, einschließlich Lettland? Selbst wenn die 50-Nationen-Koalition der Ramsteiner Freunde der Ukraine oder auch nur die EU-Mitgliedsstaaten eine geschlossene Position beziehen und klar Nein sagen würden, wird sich das IOC etwas ausdenken. Leider wird ein solcher Konsens schon deshalb schwer zu erreichen sein, weil die Olympischen Spiele 2024 in Paris stattfinden sollen. Es wäre absurd, wenn Frankreich die Heimolympiade boykottieren würde. Daher ist es schwierig, auf eine geschlossene Position des Westens zu hoffen.“