Sollte die Schweiz Selenskyjs Bitten nachkommen?
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat am Donnerstag per Video eine Rede vor dem Schweizer Parlament gehalten. Er appellierte an die Solidarität und forderte die Erlaubnis zur Weitergabe von Schweizer Kriegsmaterial an Drittstaaten, was die Schweiz mit Verweis auf ihre Neutralität bisher verweigert hatte. Die stärkste Fraktion, die Schweizer Volkspartei SVP, blieb der Rede mit eben dieser Begründung fern.
Er hält den Eidgenossen den Spiegel vor
Mit seinen Forderungen zeigt der ukrainische Präsident, dass die Schweiz noch mehr tun könnte, findet der Tages-Anzeiger:
„Einen kleinen Schritt hat die Schweiz diese Woche zwar gemacht: 25 eingemottete Kampfpanzer will der Nationalrat an Deutschland freigeben. Damit sollen Löcher in deutschen Beständen gestopft werden, die entstanden sind, weil Berlin schweres Kriegsgerät an Kiew liefert. … Und ja, die Schweiz trägt die Sanktionen der EU und der USA mit. Aber ganz genau will man es doch nicht wissen, wer in Genf mit russischem Öl handelt und welche Anwälte für welchen Oligarchen welche Briefkastenfirma bauen. Ein Spezialgremium, um die Verhältnisse auszuleuchten und verstärkt Vermögen einzufrieren? Braucht es nicht, fand diese Woche der Ständerat.“
Neutralität nicht vollends verspielen
Die Schweiz täte gut daran, sich in Zurückhaltung zu üben, betont die Neue Zürcher Zeitung:
„Zwar weiss derzeit niemand, was punkto Neutralität genau gilt. Die einen tun so, als habe sich nichts geändert, 'die Schweiz ist und bleibt neutral', behauptet der Bundesrat tapfer. Die anderen versuchen, die Neutralität flexibel zu interpretieren, was wiederum andere auf die Barrikaden bringt … Bei allem Verständnis für das Bedürfnis, sich mit der Ukraine solidarisch zu zeigen und der Welt darzutun, dass man zusammen mit dem Westen auf der richtigen Seite steht: Irgendwann wird der unselige Krieg zu Ende sein, und es wäre zu wünschen, dass die Politiker die Neutralität, die in der Schweizer Bevölkerung tief verankert ist, dann nicht vollends verspielt haben werden.“
Lieber nur als Friedensstifter auftreten
Le Courrier rät von einer militärischen Unterstützung der Ukraine ab:
„Der ukrainische Präsident hat am Donnerstag sehr geschickt die Vermittlerfunktion hervorgehoben, die die Schweiz so mag. Und das vor allem, indem er unser Land dazu einlud, einen globalen Friedensgipfel zu organisieren. Aber mal sehen, ob Russland die audiovisuelle Intervention vom Donnerstag nicht bereits als zu viel empfindet. Eine Schweizer Beteiligung an den Waffenlieferungen würde an diesem Konflikt nichts ändern; eine friedensstiftende Rolle hätte zweifellos eine unvergleichliche Wirkung.“