Griechenland ruft Wähler erneut zu den Urnen
In Griechenland wird am Sonntag noch einmal gewählt. Die konservative Nea Dimokratia von Kyriakos Mitsotakis hatte die Wahlen am 21. Mai zwar deutlich gewonnen, jedoch keine alleinige Mehrheit im Parlament erreicht. Bei der Neuwahl kommt nun ein neues Wahlgesetz zum Zuge, das dem Wahlsieger einen Bonus von bis zu 50 Sitzen zubilligt.
Sehnsucht nach Normalität
Maria Karaklioumi, politische Analystin beim Umfrage-Institut RASS, beschreibt die Stimmung der Griechen im Webportal Liberal:
„Die Griechen sind nicht plötzlich rechts oder Anhänger der konservativen Partei Nea Dimokratia geworden, noch haben sie in Kyriakos Mitsotakis den Messias gesehen. Die Griechen sind Bürger, die schwierige Erfahrung mit den [Spar-]Memoranden und der Pandemie erlebt haben, politisch und wirtschaftlich verwundet und vor allem mit enttäuschten Hoffnungen. ... Die Enttäuschung über die 'erste linke' Regierung [von Syriza] führte zu der Erkenntnis, dass eine bessere Zukunft nicht in Sicht ist. Sie setzen nicht auf Verbesserung ihres Lebens und freuen sich über einen ungestörten Alltag ohne Überraschungen. Aus diesem Grund hat die Mehrheit von ihnen Kyriakos Mitsotakis gewählt.“
Das Gespenst Orbán schwebt über dem Land
In einer zweiten Amtszeit Mitsotakis' kann es noch schlimmer kommen, findet Webportal News247:
„Das für Griechenland beispiellose Modell der 'Ein-Parteien-Demokratie' und des 'allmächtigen Ministerpräsidenten' ist das Orbán-Modell: das Modell der Regierungsdespotie und der staatlichen Willkür, der erstickenden Medienkontrolle und der autoritären Einschränkung der Zivilgesellschaft. ... Viele dieser Phänomene haben wir bereits in den ersten vier Jahren der Amtszeit von Mitsotakis erlebt. So wie die Dinge laufen, werden wir sie in einer zweiten vierjährigen Amtszeit in ihrer akutesten Form erleben. Das Gespenst Orbán schwebt über Griechenland, aber die Gesellschaft scheint die Gefahr nicht zu erkennen.“
Griechen gehen wenigstens noch wählen
Dnevnik vergleicht die politische Lage Bulgariens mit der von Griechenland:
„In unserem südlichen Nachbarland ist die Wahlbeteiligung um mehr als 20 Prozentpunkte höher als bei uns (61,1 Prozent dort gegenüber nur 40,69 Prozent bei den letzten Wahlen hier). ... Zum einen haben unsere Nachbarn eine solidere politische und zivilgesellschaftliche Kultur als Teil ihres reichen demokratischen Erbes. Zum anderen bringen die Wahlen dort in der Regel stabile parlamentarische Mehrheiten und Regierungen hervor, die, wenn auch nicht ohne Skandale, ihr Mandat erfüllen. Im Vergleich zu den Bulgaren sind die Griechen also viel besser vor dem Phänomen der Wahlmüdigkeit und dem Gefühl eines vergeblichen Wahlprozesses, der nicht zu nachhaltigen Regierungen führt, geschützt.“