Estland: Zustimmungsgesetz gegen Vergewaltigung?
Nach einem in den Medien und sozialen Netzwerken heftig diskutierten Gerichtsurteil, bei dem zwei Angeklagte vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen wurden, debattiert Estland über eine Reform des Sexualstrafrechts. Eine Überlegung ist, wie beispielsweise in Spanien gesetzlich festzuschreiben, dass Sex nur nach Zustimmung aller Beteiligten erlaubt ist. Die Landespresse sieht Vor- und Nachteile.
Opfer ermutigen, zur Polizei zu gehen
Warum es keinen Sinn macht, am aktiven Zurwehrsetzen des Opfers als Beweis für den Tatbestand einer Vergewaltigung festzuhalten, erklärt Eesti Päevaleht:
„Man erwartet zwar typischerweise, dass sich das Opfer einer Vergewaltigung wehrt. Aber die Schockstarre ist bei einem sexuellen Übergriff als normale physiologische und psychologische Reaktion anerkannt, die das Opfer unfähig macht, sich gegen den Angriff zu wehren. ... Wir müssen eine Gesellschaft schaffen, in der die Opfer sexueller Gewalt den Mut haben, zur Polizei zu gehen und nicht befürchten müssen, dass das Gesetz sie nicht schützen wird.“
Nachweis der Zustimmung problematisch
Eesti Ekspress warnt davor, die Unschuldsvermutung als Grundsatz der Justiz anzutasten:
„Gewaltsamer Sex wie Sadomasochismus ist in Estland nicht verboten. Er wird erst dann zur Vergewaltigung, wenn Nötigung hinzukommt. Manche meinen, dass Estland nach dem Vorbild westlicher Länder Sex unter Strafe stellen sollte, bei denen das Opfer dem Sex nicht zugestimmt hat. Aber auch das ist nicht der Zauberstab, der Vergewaltigungen stoppen wird. Im Falle einer Vergewaltigung stellt sich sofort die Frage, wie die Zustimmung zum Sex nachgewiesen werden kann. In der estnischen Verfassung heißt es eindeutig, dass 'niemand verpflichtet ist, in einem Strafverfahren seine Unschuld zu beweisen'.“