Rumänien: Prozess um Polizeigewalt bei Großdemo
Genau fünf Jahre nach der brutalen Auflösung einer regierungskritischen Demonstration mit rund 100.000 Teilnehmern in Bukarest am 10. August 2018 ist Anklage erhoben worden: gegen die damaligen Gendarmeriechefs und zuständigen Einsatzleiter, insgesamt 16 Personen. Ihnen wird Amtsmissbrauch und unzulässige Gewalt vorgeworfen. Kommentatoren sind ernüchtert - auch, weil keine Politiker vor Gericht stehen.
Gerichtet wird nur das Fußvolk
Auf der Anklagebank sitzen nicht alle Verantwortlichen, kritisiert Spotmedia:
„Die damalige Innenministerin Carmen Dan, die zum direkten Umfeld von [Ex-Parteichef der damaligen und heutigen Regierungspartei PSD] Liviu Dragnea gehörten, taucht in dem Verfahren nicht auf. …. Es geht im Prozess ausschließlich um Gendarmen, die das gewaltsame Einschreiten auf dem Platz des Sieges beschlossen und durchgeführt haben - gegen die Demonstranten, die genau dagegen, nämlich ein missbräuchliches Machtregime protestierten. ... Mehr noch: Viele der jetzt erhobenen Anklagepunkte gegen diejenigen, die an der Niederschlagung am 10. August direkt beteiligt waren, werden wahrscheinlich verjährt sein, was den Justizakt noch zynischer macht.“
Nation in chronischer Depression
Viele Protestteilnehmer von damals haben sich enttäuscht zurückgezogen, schreibt Journalist Cristian Ștefănescu im Rumänischen Dienst der Deutschen Welle:
„Ich kenne Rumänen aus der Diaspora, die seither nicht mehr ins Land gekommen sind und ebenso Rumänen, die sich damals entschieden haben, das Land für immer zu verlassen. Ich habe Demonstranten getroffen, die inzwischen jedes Engagement aufgegeben haben. ... Es gibt ein von einer Drohne aufgenommenes Bild, dass die im Protest vereinte Menschenmenge vom 10. August 2018 zeigt, es sind Tausende Anonyme, die Teil einer gemeinsamen Stimme sein wollten. Heute finden sie nicht mehr die Kraft, zu revoltieren. ... Das sind nichts anderes als die Symptome einer Nation, die in einer chronischen Depression steckt.“