Vor Wahlen: Wie stark ist die polnische Opposition?
Zwei Wochen vor den polnischen Parlamentswahlen sind am Sonntag rund eine Million Menschen dem Aufruf von Oppositionsführer Donald Tusk gefolgt, in Warschau für einen Regierungswechsel zu demonstrieren. Bis auf die nationalistische Konfederacja wollen alle Oppositionsparteien eine Koalition bilden, um die langzeitregierende PiS abzulösen. Die Umfragen deuten auf ein knappes Wahlergebnis hin.
Das andere Polen ist erwacht
La Stampa freut sich über die große Oppositionskundgebung:
„In den überfüllten Straßen rund um den sowjetischen Kulturpalast gaben eine Million Menschen einem anderen Polen die Stimme, das offen ist für die Rechte von Frauen, Migranten und der LGBTQ+-Gemeinschaft. ... Donald Tusk ist das Kunststück gelungen, alle regierungsfeindlichen Kräfte sowie einige der Parteien zu vereinen, die in knapp zwei Wochen die granitartige Macht von Jarosław Kaczyński, der seit 2015 ununterbrochen - in verschiedenen Funktionen - an der Macht ist, und dem derzeitigen Premier Mateusz Morawiecki herausfordern werden. Das 'Nein' zu dem Polen, das wir kennen, nahm gestern in einer Veranstaltung Gestalt an, die eher einem Fest als einem Marsch glich.“
Frauen und kleine Städte entscheidend
Rzeczpospolita erwartet einen knappen Ausgang:
„Zwei Wochen vor dem Wahltermin bestätigen die Umfragen, dass Polen fast perfekt in zwei Hälften geteilt ist und dass der Erfolg der Regierungskoalition oder der Opposition von einem winzigen Prozentsatz von Wählern aus der Gruppe der Unentschlossenen entschieden wird. ... Nur wenn sie an den Wahlerfolg glauben, werden sie zur Wahl gehen und den Ausschlag geben. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Marsch am Sonntag sehr sinnvoll, aber noch wichtiger ist es, die Frauen und die Bewohner kleinerer Städte zu aktivieren. Sie sind es, die entscheiden werden, wer Polen in den nächsten vier Jahren regieren wird.“
Opposition hat es schwer gegen Propagandaapparat
Krytyka Polityczna ist skeptisch:
„Wird diese Mobilisierung der Opposition ausreichen, um sich gegen die akribisch ausgearbeitete Strategie der PiS zur Wehr zu setzen, die drei Wochen vor den Wahlen die Benzinpreise senkte, um dann Ende September festzustellen, dass die Inflation auf 8,2 Prozent gesunken war? Im Kampf gegen die [von der PiS versprochenen] Medikamentenzuzahlungen, die Werbeoffensive der Staatsunternehmen und die Propaganda und die Manipulation mittels eines Referendums [das am Tag der Wahl zum EU-Asylkompromiss durchgeführt werden soll]? ... Im besten Fall droht wohl eine PiS-Minderheitsregierung unter Tolerierung durch die Konfederacja und in der Folge Neuwahlen.“
Wahlkampf reißt tiefe Gräben auf
Polen droht noch weiter auseinanderzutreiben, warnt The Observer:
„Angesichts der Wahlen am 15. Oktober scheint sich Polens Neigung zum Streit mit Nachbarn, Freunden und Feinden gleichermaßen nach innen zu richten. Meinungsumfragen zeigen, dass das Land gefährlich gespalten ist. Der Ton im Wahlkampf wird giftig. Im parteipolitischen Machtkampf droht Polen sich selbst zu zerreißen. ... Um eine neue Regierung bilden zu können, braucht die PiS möglicherweise Hilfe von der extremistischen, EU- und Ukraine-feindlichen Partei Konfederacja. Das treibt sie weiter nach rechts, vertieft die Spaltungen und bringt noch mehr schmutzige Tricks in die Politik.“