Spanien: Sánchez steht vor Regierungsbildung
Spaniens Premier Pedro Sánchez von der sozialistischen PSOE könnte bereits nächste Woche für eine neue Amtszeit wiedergewählt werden. Am Donnerstag einigte er sich mit der katalanischen Unabhängigkeitspartei Junts auf eine Zusammenarbeit. Vorausgegangen waren Vereinbarungen mit dem Linksbündnis Sumar und der katalanischen ERC. Kommentatoren streiten über mögliche Folgen, insbesondere durch die geplante Amnestie.
Der Propaganda-Rummel ist vorbei
El País feiert die Rückkehr zur Kompromissfähigkeit:
„In den Koalitionspakten machen beide Seiten Zugeständnisse, auch wenn die, die die Sache bislang angeheizt haben, das verschleiern wollen. Jetzt ist politische Pädagogik wichtig, kein Propaganda-Rummel. Alles kann sinnvoll sein, vorausgesetzt, es wird gut gemacht, besser erklärt und durch Ergebnisse bestätigt. Politik und Dialog müssen wieder die einzigen Mittel zur Konfliktlösung werden. Es geht auch um die Wiederaufnahme der Tradition der großen Pakte mit der Region Katalonien, die bislang alle Regierungen gepflegt haben und deren Ergebnisse den übrigen autonomen Regionen als Vorbild galten.“
Machtwechsel wäre sinnvoller gewesen
El Mundo findet den Pakt völlig undemokratisch:
„Seine Bedeutung wiegt schwer: Die PSOE öffnet einen permanenten Verhandlungsrahmen zwischen der Regierung und [Carles] Puigdemont auf Grundlage des Pro-Unabhängigkeits-Narrativs: Die Akteure hinter dem Unabhängigkeitsprozess sind Opfer einer politischen Verfolgung, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht und die es zu beenden gilt. ... Die PSOE zieht es vor, den Staat zu schwächen, anstatt einen Machtwechsel zuzulassen. Das ist ein hoher Preis. Der Pakt enthält keine einzige Maßnahme, die zum Wohlergehen der Spanier beiträgt; im Gegenteil, alles zielt auf Spaltung ab. Wie will die Regierung diesen Pakt, der gegen demokratische Werte wie Freiheit, Gleichheit und Solidarität verstößt, vor den Bürgern und der EU rechtfertigen?“
Doppelter Salto ohne Netz
Sánchez zahlt jeden Preis, um Premier zu bleiben, mokiert sich La Stampa:
.„Pedro Sánchez ist ein politischer Akrobat. ... Nun aber vollführt er einen doppelten Salto ohne Netz. ... Von seinem europäischen parlamentarischen Exil in Brüssel aus hat Carles Puigdemont ihm einen hohen Preis abgetrotzt: Amnestie für sich selbst und alle wegen Aufruhrs Angeklagten. Es gibt zwei Bedenken. ... Das eine betrifft die Verfassungsmäßigkeit: Die Debatte unter Juristen ist bereits eröffnet. Die zweite ist schwerwiegender: Es wäre eine Amnestie ohne Reue der Amnestierten, die durch nichts daran gehindert würden, sich sofort wieder für das Ziel einzusetzen, das ihnen die Verurteilung wegen Aufruhrs eingebracht hat“
Keine guten Aussichten
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung befürchtet eine Blockadepolitik:
„Schon die Wortwahl der einen wie der anderen Seite verheißt ... nichts Gutes: Während Repräsentanten der Opposition von rechts bis rechtsextrem die Verfassung des Jahres 1978 und die Fundamente des Rechtsstaats der schamlosen Willkür des Machterhalts preisgegeben sehen, brüsten sich die Kräfte am anderen Pol der 'zwei Spanien' mit der ... politischen Normalisierung des Verhältnisses zwischen dem Zentralstaat und Katalonien, ohne die eklatante Missachtung von Recht und Gesetz durch die Unabhängigkeitsaktivisten auch nur einmal zu erwähnen. Wie unter diesen Bedingungen die Arbeit in den Cortes [dem Parlament] funktionieren kann, steht in den Sternen.“