Russen in Estland das Wahlrecht entziehen?
In Estland ist erneut eine Debatte um das kommunale Wahlrecht der im Land lebenden Russen entbrannt, das die Regierung bereits 2023 im Visier hatte. Grund ist, dass zur Präsidentenwahl am 17. März rund 75 Prozent der russischen Wähler in Estland für Putin gestimmt haben, wenn auch mit weit niedrigerer Beteiligung als in Vorjahren. Die Landespresse ist sich ausgesprochen uneinig.
Kommunalwahlen sind kein Menschenrecht
Postimees wünscht sich, dass das Wahlrecht der Bürger Russlands in Estland aufgehoben wird:
„Wie die Aussetzung des Wahlrechts rechtlich aussehen soll, ob sie eine Verfassungsänderung erfordert oder nicht, ist nicht die Frage. Was absolut klar ist, ist, dass es getan werden muss. Wir leben heute in einer Situation, in der Bürger feindlich gesinnter Staaten entscheiden können, wer unsere Kommunalverwaltungen führt. Es ist kein Menschenrecht, an Kommunalwahlen teilzunehmen. Es ist wichtig, den Einfluss Russlands auf unsere Politik zu verringern. Und das bedeutet unter anderem, dass Bürger aus Russland und Belarus kein Wahlrecht haben sollten.“
Gefahr für die Einheit der Gesellschaft
Die Regierungsparteien haben ein unlauteres Interesse daran, die Zentrumspartei zu schwächen, kritisiert Eesti Päevaleht die Idee:
„Es ist in keiner Weise mit dem Bild eines demokratischen Landes vereinbar, wenn die Machthaber einigen Menschen das Wahlrecht entziehen, um ihre Chancen bei den nächsten Wahlen zu verbessern. Es wäre auch gesellschaftlich gefährlich. Formal würde man das Wahlrecht auf der Grundlage der Staatsangehörigkeit abschaffen, aber viele würden dies als Angriff auf die Sprache oder die Nationalität ansehen. Die wohl bekannteste Sozialwissenschaftlerin Estlands, Marju Lauristin, hat die Zentrumspartei als Strohhalm der russischen Wähler bezeichnet, der dazu beiträgt, dass diese dem estnischen Staat vertrauen. Die Abschaffung der Rechte würde den sozialen Frieden in einer Situation erschüttern, in der wir eine geschlossene Front gegen Putins Russland brauchen.“