Portugal: Reparationen für Ex-Kolonien?
Anlässlich der Feierlichkeiten des 50. Jubiläums der Nelkenrevolution hat der portugiesische Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa gemahnt, sein Land solle Reparationen an ehemalige Kolonien bezahlen, etwa über einen Schuldenerlass. Portugal war in Europa am längsten in die Verschleppung und Versklavung von Menschen aus Afrika beteiligt. Das Thema trifft einen Nerv, wie ein Blick in die Kommentarspalten zeigt.
Zurückgeben, was uns nicht gehört
Vor den Konsequenzen der Kolonialgeschichte kann man sich nicht verstecken, schreibt Visão-Kommentator Luís Delgado:
„Die Geschichte kann nicht umgeschrieben werden. Sie ist unveränderlich. ... Sie kann nicht ausgelöscht werden. Wie alle anderen bin auch ich unendlich stolz auf unsere gemeinsame Geschichte, deren imperiale Heldentaten sich im großen Epos der Entdeckungen manifestiert haben. Wir haben zahllose Fehler begangen, uns verwerflich verhalten und verschiedene indigene Völker unterjocht. Das ist wahr. Als eine Nation, die ebenfalls schwer unterdrückt wurde, haben wir uns aufrichtig bei jedem einzelnen von ihnen entschuldigt. Wir sind den schmerzhaften Weg der Buße gegangen. Mit Vernunft, Gelassenheit und Offenheit müssen wir nun zurückgeben, was uns nicht gehört.“
Schuld lässt sich schwer bemessen
Der Sklavenhandel sei meist durch Privatunternehmen verübt worden, erinnert der Historiker Lourenço Pereira Coutinho in Expresso:
„Es besteht die Gefahr, die Vergangenheit mit den Augen der Gegenwart zu beurteilen und einen kollektiven Prozess der Selbstgeißelung zu fördern, der wenig zu gesunden Gesellschaften und zwischenstaatlichen Beziehungen beiträgt. ... Im konkreten Fall des Sklavenhandels, den die Portugiesen zwischen dem 15. und dem 19. Jahrhundert betrieben, geschah er hauptsächlich mit Brasilien und wurde von Privatpersonen betrieben. ... Die Krone, also der Staat, mischte sich nicht ein, obwohl er natürlich indirekt von diesem Handel profitierte, da die brasilianische Wirtschaft auf Sklavenarbeit basierte. Mit anderen Worten: Wie lässt sich Schuld bestimmen und bemessen?“
Aufarbeitung als Akt der Befreiung
Die Militärdiktatur und ihre Mythen hallen bis heute nach, schreibt der Anthropologe Miguel Vale de Almeida in Público:
„Auf der Grundlage der kolonialen Ökonomie konstruierte sie eine Erzählung, die die Erfahrung der Expansion des portugiesischen Staates und seiner Kolonialismen mystifizierte und gleichzeitig den Handel mit versklavten Menschen aus der nationalen Erzählung ausklammerte. ... Der Staat, der uns als historische Gemeinschaft repräsentiert, muss sich entschuldigen - bei den Opfern, bei uns selbst, bei der Welt - für die Verbrechen des Handels mit versklavten Menschen und für den Kolonialismus und seine Gewalt. ... Es wird keinen Zusammenbruch der nationalen Identität geben, wenn wir den politischen Mut haben, diese 'Gesten' anzugehen.“