Belgien: Flämische Nationalisten erringen Wahlsieg
Die flämischen Nationalisten (N-VA), die mehr Autonomie für Flandern anstreben, haben die Wahl in Belgien gewonnen. Zweitstärkste Kraft wurde der rechtsradikale Vlaams Belang. Regierungschef Alexander De Croo kündigte seinen Rücktritt an, nachdem seine liberale Partei Open VLD Verluste erlitten hatte. Nun soll N-VA-Chef Bart De Wever eine Regierungskoalition schmieden. Was bedeutet das für das Land?
Schachzüge der Meisterklasse nötig
Der Chef der der flämisch-nationalistischen N-VA wird Kompromisse eingehen müssen, analysiert De Standaard:
„Im heißen Wahlkampf hat De Wever die entscheidende Wendung vollzogen, weg von der rechtsradikalen VB, in voller Konkurrenz mit der Mitte. Nun kann er nicht anders, als so weiterzumachen. Damit transformiert er die N-VA von einer Partei der radikalen Veränderung zu einer Partei der soliden Führung. ... Das erfordert [im Umgang mit künftigen Koalitionspartnern] Schachzüge der Meisterklasse. ... Er muss aber auch schnell und entschlossen mit ihnen eine Regierung bilden und das bedeutet Kompromisse und Mäßigung. Und schließlich muss er auch genug Wähler mit radikalen und flämisch-nationalen Wünschen bei der Stange halten.“
De Wever wird ausgebremst
De Morgen stellt eine komplizierte Lage fest:
„Die N-VA hat von ihren Wählern ein Mandat für eine harte rechte Sparpolitik bekommen, aber auch [die flämischen Sozialdemokraten] Vooruit konnte zulegen – mit einem entgegengesetzten Programm. ... Das Problem von Vooruit ist, dass sie als einzige Kraft übrig bleibt, die ein linkeres Programm verteidigen kann, nachdem die [geschwächte wallonisch-sozialdemokratische] PS aus dem Rennen ist. ... Paradoxerweise verringert das Ausscheiden der PS auch die Optionen für Bart De Wever als Premierministerkandidat. Auch er weiß jetzt, dass es entweder mit Vooruit etwas wird oder gar nichts. Mit einer rechten Sparpolitik wird das wohl nichts. Von einer konföderalen Staatsreform ganz zu schweigen.“
Einmalige Gelegenheit für einen Schlussstrich
Die Wähler wollen grundlegende Veränderungen, schlussfolgert La Libre Belgique:
„Die Wähler haben verstanden, dass die Lethargie unhaltbar geworden ist. Der Status quo drückt unsere Regionen auf die untersten Ränge der sozioökonomischen Ranglisten in Europa. ... Die Botschaft der Wähler ist eindeutig. Dass sie die Linke abgestraft haben, signalisiert den Wunsch nach grundlegenden sozioökonomischen Reformen. Die Liberalen und das Mitte-Rechts-Lager haben eine einmalige Gelegenheit, einen Schlussstrich unter die Fehler der Vergangenheit zu ziehen. Sie müssen diese Chance schnell ergreifen.“