Ungarn: Welche Chancen hat Orbáns neuer Gegner?

Die Tisza-Partei des politischen Newcomers Péter Magyar hatte bei der EU-Wahl 29,6 Prozent der ungarischen Stimmen geholt. Weniger als drei Monate nach Übernahme der bis dato unbedeutenden Formation durch Magyar wurde sie damit zur größten oppositionellen Kraft im Land. Angesichts dieses raketenhaften Aufstiegs fragt sich Ungarns Presse, ob Tisza zu einer nachhaltigen Konkurrenz für Viktor Orbán und seinen Fidesz werden könnte.

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hvg (HU) /

Rechte Politik für linke Wähler

Mit der richtigen Strategie ist laut hvg einiges möglich:

„Was wir bisher von Péter Magyar gesehen haben, eine erstaunlich erfolgreiche Performance eines politischen Influencers, ist eine riesengroße politische Leistung. Aber wofür diese in der kurzen Zeit bis zur Wahl 2026 ausreichen wird, wird sich jetzt entscheiden. ... Die Tisza-Partei befindet sich in der paradoxen Lage, dass sie ein politisch rechtes Produkt anbietet, die meisten ihrer derzeitigen Wähler aber nicht rechts sind. Jedoch könnte sie diese an sich binden und mit einer westorientierten, zentristischen Politik auch Fidesz-Wähler abwerben – wenn sie ab jetzt ausschließlich die Regierung angreift und nicht die ohnehin geschwächte Opposition, und wenn ihr Parteichef sich zur Teamarbeit fähig zeigt.“

Magyar Hang (HU) /

Basisdemokratie wird Magyar nicht reichen

Der Tisza-Chef muss mit dem Aufbau einer Fidesz-ähnlichen Parteiorganisation beginnen, meint Politikanalyst Attila Tibor Nagy in Magyar Hang:

„Das Orbán-Regime kann nicht mit einer basisdemokratischen Partei besiegt werden. Man braucht eine Parteiorganisation, die schnell reagieren kann. ... Der Erfolg von Fidesz wurde auch durch eine massive, disziplinierte Parteiorganisation und eine Armee Tausender Aktivisten garantiert. Technisch gesehen wird die Tisza-Partei kaum eine andere Wahl haben, als in diesem Sinne die internen Funktionsweisen von Fidesz zu kopieren ... Die Anti-Fidesz wartet darauf, geschaffen zu werden – die Chance dazu wurde am 9. Juni geboren.“

Index (HU) /

Bisher kaum mehr als eine Kulisse

Von einer wirklichen Partei kann noch keine Rede sein, konstatiert der ehemalige liberale Politiker Gábor Fodor in Index:

„Tisza ist ein schwarzes Loch, ein 'nicht existierender Planet': sie existiert, aber sie existiert doch nicht. Sie ist zur größten Oppositionskraft geworden, obwohl wir gar nichts von ihr wissen (ihre Existenz ist ein ziemlich verblüffender Einblick in Ungarn und die verheerende Stärke der Emotionen), denn die für sie abgegebenen Stimmen können als Stimmen gegen Fidesz (Viktor Orbán) und gegen die Linke (Ferenc Gyurcsány) verstanden werden. Auf jeden Fall führt ihre Entstehung zu einer neuen Situation in der Innenpolitik und auf der internationalen Bühne.“