Polens Regierung streitet sich über Abtreibungsrecht
Ein Gesetzentwurf zur Liberalisierung des polnischen Abtreibungsrechts – ein wichtiges Wahlversprechen von Premier Donald Tusk – ist im Parlament gescheitert: 215 Abgeordnete stimmten dafür, 218 dagegen, 2 enthielten sich und 23 waren abwesend. Die Regierungskoalition aus Liberalen, Moderaten, Konservativen und Linken ist gespalten. Am Dienstag kam es zu wütendem Protest der sogenannten Frauenstreik-Bewegung vor dem Sejm.
Schluss mit Höflichkeit, es wird ungemütlich
Im linken Portal Krytyka Polityczna fordert Kulturanthropologin Katarzyna Przyborska ein kompromissloses Auftreten der Protestbewegung:
„Wenn ich irgendwo eine Hoffnung für die Frauenrechte sehe, dann nur darin, dass wir zeigen, wie angepisst wir sind. Wortwahl und Tonfall der für ihre Rechte eintretenden Frauen werden nie wieder höflich sein. Vor dem Sejm herrschte Aufruhr, Beleidigungen, Wut, Enttäuschung und die nackte politische Wahrheit: dass das Leben der Frauen, ihr reales Leiden, ihre Ängste, ihre Pläne, ihre Unabhängigkeit, ihre Ambitionen – dass all das nicht zählt. ... Ich prophezeie, dass jeder weitere Versuch, den Frauen die Form des Protests vorzuschreiben, mit donnerndem, verächtlichem, wahrhaft satanischem Gelächter und einem kurzen 'verpisst euch' beantwortet wird. ... Es wird ungemütlich.“
Beschimpfungen ändern keine Mehrheiten
Rzeczpospolita beobachtet die aufgeheizte Stimmung:
„Die Rechte kicherte schadenfroh, als der Zorn der Frauenstreik-Bewegung nun auf die [an der Regierung beteiligte Bauernpartei] PSL und die liberale Koalition niederging. ... Die Aktionen des Frauenstreiks werden zum Problem für die gesamte Koalition, einschließlich Donald Tusk. ... Ja, einige der Parteien, die die heutige Regierungskoalition bilden, hatten versprochen, die Abtreibungsgesetze zu liberalisieren. ... Zu behaupten, dass da jemand betrogen wurde, zeugt jedoch eher von mangelndem Verständnis der polnischen Politik. Oder von der Unkenntnis schlichter parlamentarischer Arithmetik, die man nicht einfach durch wüste Beschimpfungen ändert. Oder von realitätsfernen Wunschvorstellungen.“
So verliert Tusk die Frauen
Die Warschau-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung, Viktoria Großmann, plädiert für mehr Rationalität in der Angelegenheit:
„Irrational verhalten sich jene – meist männlichen – Abgeordneten, welche den hart errungenen Kompromiss, der vor allem weiblichen Abgeordneten viele Zugeständnisse abverlangte, einfach platzen lassen. Irrational verhält sich aber auch Tusk, wenn er aus Frust zwei Parteimitglieder suspendiert, weil sie den Abstimmungsgehorsam verweigern – statt sie weiter zu überzeugen. Tusk weiß, wenn die Frauen verlieren, verliert er die Frauen. Und mit ihm verliert die gesamte Regierung sie. Wenn das kein Argument ist.“