Militäreinsatz im Westjordanland: Was hat Israel vor?
Israel hat einen großen Militäreinsatz im Westjordanland gestartet, bei dem bisher mindestens neun Palästinenser getötet wurden, darunter offenbar ein Hamas-Kämpfer. Die UN kritisierten den Einsatz scharf als unnötigen Verlust von Menschenleben und forderten Schutz für Zivilisten. Israel erklärte, es suche nach Hintermännern eines vereitelten Selbstmordattentats vom 18. August. Zudem wirft es dem Iran vor, im Westjordanland ein Terrornetzwerk aufzubauen.
Gewaltspirale dreht sich weiter
Es gibt genügend Interessenten für eine Eskalation im Westjordanland, schreibt der Israel-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, Peter Münch:
„Die in Gaza bedrängte Hamas hat größtes Interesse daran, die Kampfzone zu verlagern. Sie ruft zum Aufstand im Westjordanland auf und versucht, wie sie in der vorigen Woche stolz vermeldete, Selbstmordattentäter nach Israel zu schleusen. ... Auf der anderen Seite nutzen radikale Siedler und ihre Paten in der israelischen Regierung die Gelegenheit, ihren Traum von Groß-Israel nun gleich an zwei palästinensischen Fronten voranzutreiben. Israels Armee kann die Lage im Westjordanland nur noch mit immer massiveren Einsätzen unter Kontrolle halten – und entfacht dabei zugleich immer neuen Widerstand. ... Die Gewalt dreht sich im Kreis.“
Dem Iran zuvorkommen
Der Angriff hat eine Präventiv-Funktion, erörtert La Stampa:
„Bereits im März 2022 hatte die israelische Regierung eine Reihe von Antiterroroperationen im Norden des Westjordanlandes eingeleitet, weil neue palästinensische Militärapparate wie die Jenin-Brigaden oder Lion's Den aufgetaucht waren. Organisationen mit lokalem und militärischem Charakter nach irakischem Vorbild und mit Verbindungen zum Iran, der sie mit Waffen versorgt. Es entsteht also eine neue, heimtückische Galaxie von Subjekten, ohne gefestigte operative Beziehungen zur Hamas und zum Islamischen Dschihad, die eine weitere Bedrohung für Israel darstellen. Die Militäraktionen dieser Tage stellen präventive Angriffe gegen diese Formationen sowie gegen die Hamas und den Dschihad im Westjordanland dar.“
Netanjahu ist nicht an Frieden interessiert
Diário de Notícias schreibt:
„Die israelische Regierung ist nicht an Frieden interessiert, weder an einem Abkommen zur Freilassung der Geiseln und zur Beendigung des Krieges in Gaza, noch an einer Deeskalation des Konflikts dort oder im Norden mit der Hisbollah. Netanjahu und seine radikalen jüdischen Verbündeten haben jahrzehntelang auf die Ausschaltung der Fatah hingearbeitet und die Schaffung des Monsters Hamas unterstützt, indem sie auf die Radikalisierung und Polarisierung der 'palästinensischen Frage' gesetzt haben. Netanjahu und seine radikale Regierung, für die eine Zweistaatenlösung ein Gräuel ist, nutzen das Massaker vom 7. Oktober, um für einen Krieg mit dem Ziel des totalen Sieges zu werben.“