Litauen: Wahlsiegerin will nicht regieren
Obwohl die Sozialdemokratische Partei (LSDP) bei den Parlamentswahlen die stärkste Fraktion im Seimas erhielt, entschied sich die Parteivorsitzende Vilija Blinkevičiūtė, ihr Mandat im Europäischen Parlament zu behalten, anstatt die Regierungsführung zu übernehmen. Die LSDP nominierte daraufhin Vize-Parteivorsitzenden Gintautas Paluckas als Kandidaten für das Amt des Premiers. In der Landespresse hagelt es Kritik.
Rentner-Glück statt Regierungsjob
Verslo žinios wirft Blinkevičiūtė vor, finanzielle Anreize über politische Verantwortung zu stellen:
„Sie erwähnte [in einem Interview], dass sie Rentnerin sei und deshalb 'im Europäischen Parlament arbeiten' wolle. Dort ist es anscheinend für Rentner nicht so schwer. Genauso, wie es nicht schwer ist, nach Brüssel zu fliegen und wieder zurück, schließlich sitzt man ja in der Business Class. Jeden Monat erhält man ein Gehalt von über 8.000 Euro. Nach der vierten Legislaturperiode, die Blinkevičiūtė gerade angetreten hat, gibt es eine Abfindung von etwa 100.000 Euro. Ganz zu schweigen von den Tausenden von Euro für Ausgaben, die man nicht nachweisen muss.“
Politische Falschmünzerei
LRT hält der LSDP vor, mit Blinkevičiūtė als potentielle Premierministerin den Wählern etwas vorgespielt zu haben, um deren Interesse zu wecken:
„Das Versprechen war geschickt inszeniert und bescherte den Sozialdemokraten eine Flut von Stimmen – es war der Windstoß, der die 'rote Welle' im Land auslöste. ... Diese Botschaft war wichtig, aber neben ihr schwang auch eine gezielt eingesetzte Unsicherheit mit, ob sie ihre politischen Versprechen einhalten und das Amt tatsächlich übernehmen würde. Dies sollte die Wähler anregen, aktiver zu werden und die Hoffnung nähren, dass ihre Bedenken ausgeräumt werden könnten. Man könnte dies als 'geplante Täuschung' oder einfach als 'Wahlkampfmarketing' bezeichnen, bei dem Gold versprochen und am Ende nur Kupfer geliefert wird.“
Korruptionär und Wahlversager
Delfi-Kolumnist Rimvydas Valatka lässt kein gutes Haar am Ersatzkandidaten der LSDP:
„Gintautas Paluckas ist vorbestraft. Wegen Korruption. In einer Demokratie braucht man nicht mehr zu wissen, damit eine solche Kandidatur abgelehnt werden sollte. Ein Staat, der keinen anderen als einen vorbestraften Kandidaten für das Amt des Premiers hat, macht sich verdächtig. Paluckas' Partei ebenfalls, um es milde auszudrücken. Die Vorstrafe ist dabei nicht einmal der schlimmste Eintrag in Paluckas' Lebenslauf. Er wird der erste Premier sein, der trotz mehrfacher Teilnahme an Wahlen niemals einen Einzelwahlkreis gewonnen hat. In diesem Jahr hat er nicht einmal die zweite Runde erreicht.“