Was bedeutet der Regierungssturz in Paris für die EU?

Das erfolgreiche Misstrauensvotum gegen die französische Regierung überlagert sich mit dem vorzeitigen Ende der Ampel-Koalition in Deutschland. Dass nun zeitgleich in zwei maßgeblichen großen EU-Staaten - deren Volkswirtschaften zudem in Krisen stecken - keine voll handlungsfähigen Regierungen amtieren, gibt Europas Kommentatoren schwer zu denken.

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Rzeczpospolita (PL) /

Neues Machtzentrum entstanden

Die Achse Berlin-Paris ist nicht mehr das tragende Element der Union, bemerkt Rzeczpospolita:

„Allmählich verändert sich das Kräfteverhältnis nach der großen EU-Erweiterung von 2004. Die EU ist nicht mehr so klar in einen Norden und einen Süden geteilt wie in der Vergangenheit, mit Deutschland als Vertreter des Nordens und Frankreich als Vertreter des Südens. Damals bedeutete die Übereinstimmung dieser beiden Länder, dass sich die EU im Wesentlichen einig war. Dies ist heute nicht mehr der Fall, da sich infolge des Krieges in der Ukraine eindeutig ein anderes Zentrum herausgebildet hat, das nach Macht strebt, nämlich die nordisch-baltische Achse unter Beteiligung Polens. Die alte dualistische Aufteilung ist also nicht mehr gültig, so dass eine im Vorfeld erzielte Einigung zwischen Berlin und Paris in zentralen Fragen allein nicht mehr ausreicht.“

Der Tagesspiegel (DE) /

Die Hoffnung liegt auf Polen

Der Tagesspiegel macht sich angesichts der Regierungskrisen in Deutschland und Frankreich Gedanken um Europas Zukunft:

„Wie kann Europa Stärke projizieren, wenn seine beiden Riesen schwächeln? Die Antwort könnte im Osten liegen. Denn dort schickt sich der polnische Ministerpräsident Donald Tusk an, eine Führungsrolle in Europa zu übernehmen. Alleine wird Polen das deutsch-französische Vakuum kaum ausgleichen können. Doch gerade angesichts der zunehmenden Bedrohung aus Russland kann das Land eine entscheidende Rolle spielen. Und in düsteren Zeiten als europäischer Hoffnungsträger wirken.“

444 (HU) /

Fatale Folgen für die Eurozone

444 befürchtet eine EU-weite Wirtschaftskrise:

„Frankreich ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone, und das Chaos wird wahrscheinlich über seine Grenzen hinaus zu spüren sein. Das griechische Beispiel hat damals perfekterweise gezeigt, dass Krisen nicht innerhalb eines Landes eingedämmt werden können ... Doch damals war Deutschland unter Angela Merkels Leitung stabil, es konnte sich leisten, seinen in Schwierigkeiten geratenen Verbündeten aus der Patsche zu helfen, und es hatte das nötige wirtschaftliche und politische Kapital dazu. Dies ist, gelinde gesagt, nicht mehr der Fall: Die Probleme der deutschen Regierung übertreffen die Probleme der deutschen Wirtschaft.“