Proteste in Serbien: Vučić schlägt Referendum vor

In Serbien kommen die Studentenproteste nicht zur Ruhe. Präsident Aleksandar Vučić hat nun angesichts miserabler Umfragewerte vorgeschlagen, die Opposition solle doch ein nicht bindendes Referendum über seine Präsidentschaft beantragen – was allerdings in der Verfassung gar nicht vorgesehen ist. Die Medien sehen darin einen politischen Verzweiflungsakt.

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Index.hr (HR) /

Die Bewegung lässt sich so nicht kaufen

Vučić scheitert mit seiner Taktik der Zugeständnisse, analysiert Index:

„Die Machthaber haben keine adäquate Antwort, die die Erwartungen der neuen Akademikergeneration erfüllen würde. ... Die Idee vom Angebot eines Referendums über das Vertrauen in Aleksandar Vučić ist der Höhepunkt der politischen Perversion, ein Bild grenzenloser Verzweiflung einer Regierung, die versucht, Feuer mit Benzin zu löschen. All ihre angeblichen Zugeständnisse wie Erfüllung von Forderungen, Wohnungen für junge Menschen, kostenlose öffentliche Verkehrsmittel in Belgrad, haben zusammen mit diesem Referendum einen tief korrupten Charakter. Denn sie nutzen die Mechanismen der Usurpation und Bestechung, gegen die sich Studenten und freie Bürger gerade erhoben haben.“

Vreme (RS) /

Diese Regierung ist erledigt

Das angebotene Referendum kann Vučić nicht mehr retten, meint Vreme:

„Jahrelang konnten Regierungskritiker reden, was sie wollten, in beliebig großen Massen auf die Straße gehen – die Regierung und ihre Geschäfte hat das nicht berührt, obwohl es sie vielleicht genervt hat. Nun ist es umgekehrt: Vučić und seine Leute können reden, was sie wollen, irgendein Referendum anbieten, Wohnungen im [angeblich geplanten] 'Trump Tower' in Belgrad verkaufen – den Aufstand interessiert das nicht, da die Angst verschwunden ist. Der Gehorsam wird verweigert und damit ist die Legitimität der Regierung zum Teufel. ... Die Frage ist lediglich, ob der Funke sich gleich oder etwas später zu einem Generalstreik auswächst und ob die Regierung einsieht, dass es vorbei ist.“

Ukrajinska Prawda (UA) /

Keine langfristige Lösung

Selbst ein für Vučić positiver Ausgang des Referendums könnte weitere Proteste nicht verhindern, schreibt Ukrajinska Prawda:

„Das Vertrauensreferendum könnte bei einem für Aleksandar Vučić erfolgreichen Ergebnis die Position der serbischen Regierung in ihrer Konfrontation mit den Demonstranten stärken. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass dieser Effekt von Dauer sein wird. Die Tatsache, dass die serbischen Behörden zu extremen Maßnahmen gegriffen haben, deutet darauf hin, dass Vučić die Kontrolle über die Lage verloren hat und nicht weiß, wie sich die Protestwelle eindämmen ließe. Außerdem kann es aus einem beliebigen Anlass zu neuen Protesten kommen, weil ein großer Teil der Gesellschaft das Gefühl hat, dass sich die Situation im Land in die falsche Richtung entwickelt.“