Trumps zweite Amtszeit: Was kommt jetzt?
Am Montag tritt Donald Trump zum zweiten Mal das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten an. Wie schon in seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021 verspricht er, Amerika "wieder groß" zu machen. Dabei kann er sich nun auf republikanische Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses stützen. Die Medien diskutieren, was die USA und den Rest der Welt nun erwartet.
Turbulente Zeiten stehen bevor
Kristi Raik, Direktorin des International Center for Defence and Security, analysiert in ERR Online die globale Sicherheitslage:
„Die alte, liberale, auf Regeln basierende Weltordnung ist zerbrochen und Trump scheint kein Interesse daran zu haben, sie zu reparieren. Stattdessen stehen wir vor einer turbulenten Zeit der Machtkämpfe zwischen den Großmächten, in der Stärke, nicht das Recht, zählt. Alte Konzepte wie Einflusssphären kommen wieder in Mode. Es wird darum gerungen, wer strategisch wichtige Gebiete, Bodenschätze und Verbindungen kontrolliert. Trumps Hauptgegner in diesem Kampf ist China und es ist schwerlich auch etwas anderes als eine Fortsetzung der Konfrontation mit Russland zu erkennen.“
Seine Politik ist knallhart, aber nicht verrückt
Trumps Linie ist durch interessengeleitete Stärke geprägt, schreibt wPolityce.pl:
„Man kann viel über Trumps Politik sagen: Sie ist gewiss brutal, sie zielt darauf ab, neue Realitäten zu schaffen, sie beruft sich auf harte Stärke. Sie ist außerdem riskant, weil dieses Vorgehen nicht von Erfolg gekrönt sein muss. Das alles ist wahr, aber man kann nicht sagen, dass sie 'verrückt', chaotisch oder schlecht durchdacht sei. Diejenigen, die dies behaupten, verkennen die neue Realität. Wir erleben eine Rückkehr der Staatspolitik im klassischen Sinne, bei der es vor allem um Interessen und Stärke und weniger um Werte geht.“
Neu überlegen, wo Europa steht
Die USA kehren zu ihrer Tradition des Exzeptionalismus zurück, analysiert Historiker Ludovic Tournès in Le Monde:
„Die Interessen der USA weichen mittlerweile sehr stark von denen Europas ab, sowohl geopolitisch als auch wirtschaftlich – man denke nur an den 'Inflation Reduction Act' der Biden-Regierung – als auch ökologisch. Das wirtschaftliche und kulturelle Modell der USA, das Donald Trump nicht hinterfragen will, beruht auf dem Versprechen ewigen Wohlstands, das von unbegrenzten Bodenschätzen getragen wird. Die Europäer, die es gewohnt sind, die USA als Verbündete zu sehen, sollten ihre Positionierung vielleicht noch einmal überdenken. Das ist eine Frage, bei der einem schwindelig wird, da sind wir uns einig. Doch der neue Präsident zwingt uns, sie uns zu stellen.“
Jetzt regiert der Reichtum
Elon Musk und Co. werden in Trumps zweiter Amtszeit die wahren Mächtigen sein, befürchtet The Guardian:
„Selten war die Verbindung von Politik und Reichtum so offen und unverhohlen wie bei Trump. Der Mann, der gegen die Eliten wütet, hat ein Kabinett mit 13 Milliardären zusammengestellt. ... Reichtum ermöglicht seinen Besitzern, die Realität zu gestalten. Die Eisenbahnen, die die Tycoons des 19. Jahrhunderts reich machten, bestimmten buchstäblich die Zeit, nach der sich das Land richtete. Jetzt arbeitet der 'tech-industrielle Komplex' in einem noch kleineren Zirkel. ... Er bestimmt, was die Wähler sehen. Letztlich könnte es darum gehen, wer tatsächlich regieren soll: das Volk oder Amerikas neue Aristokraten.“
Präzedenzfall für Straflosigkeit
Tvnet kommentiert den kürzlich veröffentlichten Report des Sonderermittlers Jack Smith, wonach Trump wegen versuchter illegaler Eingriffe in die US-Präsidentschaftswahlen 2020 verurteilt worden wäre, hätte er nicht die nächste Wahl gewonnen:
„Wie lange wird das demokratische System der USA noch einen Rahmen dulden, in dem der Präsident faktisch von jeglicher rechtlicher Verantwortung für seine Handlungen abgeschirmt ist, selbst wenn diese den Wahlprozess im Land beeinträchtigen? ... Könnte diese Straflosigkeit zu einem gefährlichen Präzedenzfall für andere künftige Staats- und Regierungschefs werden? Letztlich geht es in diesem Fall nicht nur um Trump – es geht um die Fähigkeit der USA, ihre Demokratie zu verteidigen, und um den Glauben, dass niemand über dem Gesetz steht.“
Bedrohte Werte verteidigen
Ab nächster Woche sind unsere gewohnten Moralvorstellungen in höchster Gefahr, warnt De Standaard:
„Auch in Europa wächst bei der extremen Rechten und einigen Unternehmern die Begeisterung für die Trumpianische Wende, mit der Mahnung, dass es Zeit sei für Realpolitik. Widerstand dagegen sei nur überholte moralische Überlegenheit, die sich Europa nicht mehr erlauben könne und die uns schwäche. Das Gegenteil ist wahr. Die Werte, die Trump nächsten Montag wegfegt, bilden die Grundlage unserer stärksten Kraft. Es ist Zeit für Widerstand.“