Trumps zweite Amtszeit: Was kommt jetzt?
Heute tritt Donald Trump zum zweiten Mal das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten an. Aufgrund von eisigen Temperaturen findet die feierliche Vereidigungszeremonie nicht wie üblich unter freiem Himmel, sondern im Kapitol statt. Kommentatoren sehen eine Zeitenwende und diskutieren, was die USA und den Rest der Welt nun erwartet.
Beginn einer beunruhigenden neuen Welt
ABC zieht ein drastisches Resumé:
„Die zweite Amtszeit von Donald Trump im Weißen Haus markiert das Ende der gesamten Neuzeit. Und den Beginn einer beunruhigenden neuen Welt, in der künstliche Intelligenz sprunghaft perfektioniert wird, der Planet überhitzt, die globale Fruchtbarkeitsrate schwächelt, die Wahrheit relativer denn je ist, Oligarchen immer mehr Macht anhäufen, Autokratien die Zukunft einfordern und Demokratien sich wie bedrohte Arten verhalten.“
Schock und Ehrfurcht
Jutarnji list fragt sich, was auf die Welt zukommt, wenn Trump per Dekret Entscheidungen durchsetzt:
„Eine Unbekannte, vor der der Großteil der USA und der Welt steht, sind die Executive Orders, die der 47. Präsident nach der Vereidigung und Einzug ins Oval Office unterzeichnen wird. Laut Wall Street Journal kündigte Trump bei einem Treffen mit Republikanern im Senat an, er würde nicht warten, habe rund hundert solcher Dekrete vorbereitet und würde in manchen Fällen bis an die Grenzen der präsidialen Befugnisse gehen, um sie im Alleingang, also am Kongress vorbei, durchzusetzen zu können. Reuters berichtet, dass im inneren Zirkel der neuen Administration von 'Shock and Awe' (Schock und Ehrfurcht) die Rede ist – ein Begriff aus dem Militärjargon, der verwendet wird, wenn eine Seite überwältigend überlegen ist.“
Diesmal viele erfreute Gäste
Sydsvenskan sieht große Unterschiede im Vergleich zu Trumps erster Amtseinführung im Januar 2017:
„Unter den geladenen VIP-Gästen befindet sich eine lange Liste von Prominenten, Tech-Milliardären wie Elon Musk, Jeff Bezos und Mark Zuckerberg sowie ausländischen rechtspopulistischen Politikern – vom argentinischen Präsidenten Javier Milei über den britischen Populistenführer Nigel Farage bis hin zu Vertretern der deutschen AfD, der spanischen Vox und des belgischen Vlaams Belang. Am erstaunlichsten sind jedoch die Künstler, die Trump dieses Mal freudig im Weißen Haus willkommen heißen. Wie die Village People, eine Gruppe mit tiefen Wurzeln in der LGBTI-Bewegung. Das sagt etwas über Normalisierung aus.“
MAGA gegen Technomilliardäre
Diena sieht bei der Migrationsfrage eine Spaltung in Trumps Anhängerkreis:
„Der ursprüngliche Kern der Meinungsverschiedenheit ist einfach: MAGA [Make America Great Again] oder Nationalkonservative fordern die Beseitigung der illegalen Einwanderung sowie eine radikale Reduzierung der legalen Einwanderung, während Technomilliardäre die Ansicht vertreten, dass die Vereinigten Staaten weiterhin Talente aus aller Welt anziehen müssen. ... Interessant an der Situation ist außerdem, dass fast alle Tech-Milliardäre, die Anhänger von Trump sind (oft als PayPal-Mafia bezeichnet), nicht in den USA geboren wurden. ... Das ist ein Anzeichen dafür, dass sich zwischen diesen beiden Lagern ein längerfristiger Konflikt anbahnt.“
Noch ein Rüpel im Anmarsch
Der Tages-Anzeiger nennt Trumps USA in einem Atemzug mit Russland und China:
„Mit Trump betritt ein Bully den globalen Schulhausplatz. Er ist der dritte, der da auftaucht, Wladimir Putin und Xi Jinping stehen schon breitbeinig da. Bully ist das englische Wort für einen Rüpel, der schwächere Mitschülerinnen und Mitschüler einschüchtert. Trump, obwohl demokratisch gewählt, ist ein solcher Rüpel. ... Die beiden anderen Bullys dürften sich – trotz aller Rivalität – auf Trumps Gesellschaft freuen. Denn fortan sind sie nicht mehr die einzigen Herrscher, die Staatsgrenzen verschieben möchten. ... Am 20. Januar kommt eine dritte revisionistische Grossmacht hinzu, die USA von Donald Trump.“
Turbulente Zeiten stehen bevor
Kristi Raik, Direktorin des International Center for Defence and Security, analysiert in ERR Online die globale Sicherheitslage:
„Die alte, liberale, auf Regeln basierende Weltordnung ist zerbrochen und Trump scheint kein Interesse daran zu haben, sie zu reparieren. Stattdessen stehen wir vor einer turbulenten Zeit der Machtkämpfe zwischen den Großmächten, in der Stärke, nicht das Recht, zählt. Alte Konzepte wie Einflusssphären kommen wieder in Mode. Es wird darum gerungen, wer strategisch wichtige Gebiete, Bodenschätze und Verbindungen kontrolliert. Trumps Hauptgegner in diesem Kampf ist China und es ist schwerlich auch etwas anderes als eine Fortsetzung der Konfrontation mit Russland zu erkennen.“
Seine Politik ist knallhart, aber nicht verrückt
Trumps Linie ist durch interessengeleitete Stärke geprägt, schreibt wPolityce.pl:
„Man kann viel über Trumps Politik sagen: Sie ist gewiss brutal, sie zielt darauf ab, neue Realitäten zu schaffen, sie beruft sich auf harte Stärke. Sie ist außerdem riskant, weil dieses Vorgehen nicht von Erfolg gekrönt sein muss. Das alles ist wahr, aber man kann nicht sagen, dass sie 'verrückt', chaotisch oder schlecht durchdacht sei. Diejenigen, die dies behaupten, verkennen die neue Realität. Wir erleben eine Rückkehr der Staatspolitik im klassischen Sinne, bei der es vor allem um Interessen und Stärke und weniger um Werte geht.“
Neu überlegen, wo Europa steht
Die USA kehren zu ihrer Tradition des Exzeptionalismus zurück, analysiert Historiker Ludovic Tournès in Le Monde:
„Die Interessen der USA weichen mittlerweile sehr stark von denen Europas ab, sowohl geopolitisch als auch wirtschaftlich – man denke nur an den 'Inflation Reduction Act' der Biden-Regierung – als auch ökologisch. Das wirtschaftliche und kulturelle Modell der USA, das Donald Trump nicht hinterfragen will, beruht auf dem Versprechen ewigen Wohlstands, das von unbegrenzten Bodenschätzen getragen wird. Die Europäer, die es gewohnt sind, die USA als Verbündete zu sehen, sollten ihre Positionierung vielleicht noch einmal überdenken. Das ist eine Frage, bei der einem schwindelig wird, da sind wir uns einig. Doch der neue Präsident zwingt uns, sie uns zu stellen.“
Jetzt regiert der Reichtum
Elon Musk und Co. werden in Trumps zweiter Amtszeit die wahren Mächtigen sein, befürchtet The Guardian:
„Selten war die Verbindung von Politik und Reichtum so offen und unverhohlen wie bei Trump. Der Mann, der gegen die Eliten wütet, hat ein Kabinett mit 13 Milliardären zusammengestellt. ... Reichtum ermöglicht seinen Besitzern, die Realität zu gestalten. Die Eisenbahnen, die die Tycoons des 19. Jahrhunderts reich machten, bestimmten buchstäblich die Zeit, nach der sich das Land richtete. Jetzt arbeitet der 'tech-industrielle Komplex' in einem noch kleineren Zirkel. ... Er bestimmt, was die Wähler sehen. Letztlich könnte es darum gehen, wer tatsächlich regieren soll: das Volk oder Amerikas neue Aristokraten.“
Präzedenzfall für Straflosigkeit
Tvnet kommentiert den kürzlich veröffentlichten Report des Sonderermittlers Jack Smith, wonach Trump wegen versuchter illegaler Eingriffe in die US-Präsidentschaftswahlen 2020 verurteilt worden wäre, hätte er nicht die nächste Wahl gewonnen:
„Wie lange wird das demokratische System der USA noch einen Rahmen dulden, in dem der Präsident faktisch von jeglicher rechtlicher Verantwortung für seine Handlungen abgeschirmt ist, selbst wenn diese den Wahlprozess im Land beeinträchtigen? ... Könnte diese Straflosigkeit zu einem gefährlichen Präzedenzfall für andere künftige Staats- und Regierungschefs werden? Letztlich geht es in diesem Fall nicht nur um Trump – es geht um die Fähigkeit der USA, ihre Demokratie zu verteidigen, und um den Glauben, dass niemand über dem Gesetz steht.“
Bedrohte Werte verteidigen
Ab nächster Woche sind unsere gewohnten Moralvorstellungen in höchster Gefahr, warnt De Standaard:
„Auch in Europa wächst bei der extremen Rechten und einigen Unternehmern die Begeisterung für die Trumpianische Wende, mit der Mahnung, dass es Zeit sei für Realpolitik. Widerstand dagegen sei nur überholte moralische Überlegenheit, die sich Europa nicht mehr erlauben könne und die uns schwäche. Das Gegenteil ist wahr. Die Werte, die Trump nächsten Montag wegfegt, bilden die Grundlage unserer stärksten Kraft. Es ist Zeit für Widerstand.“