Ukraine: USA stimmen im Sicherheitsrat mit Russland
Am dritten Jahrestag des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands gegen die gesamte Ukraine haben die USA zusammen mit Russland, China und anderen Staaten eine Resolution im UN-Sicherheitsrat verabschiedet, die ein schnelles Ende des Krieges anmahnt, Moskau dabei aber nicht als Aggressor benennt. Die Europäer enthielten sich. In der UN-Vollversammlung verurteilte hingegen eine Mehrheit den Angriff. Kommentare, die teilweise schon vor den Resolutionen geschrieben wurden, sehen eine scharfe Wende.
Härtetest für Europa
Die EU muss nun große Herausforderungen stemmen, betont Cyprus Mail:
„Keine der beiden Seiten schien den Krieg in absehbarer Zeit gewinnen zu können, als Präsident Donald Trump mit seiner perversen Initiative zur Beendigung des Krieges vorpreschte und sich offen dafür aussprach, den Aggressor zu belohnen und das Opfer zu bestrafen ... Können die europäischen Staaten der Ukraine jene Unterstützung bieten, die sie braucht, um den Kampf gegen Russland fortzusetzen, wenn man bedenkt, dass jedes Friedensabkommen, das Trump Kyjiw anbietet, eine Kapitulation vor Putin wäre? Die nächsten Monate werden ein großer Test für Europa und die Zukunft des Kontinents sein.“
Traurige Lektion in Realpolitik
Drei Jahre nach Beginn des Krieges ringt die Ukraine um die Unterstützung Washingtons, betont der Politologe Maksym Jali auf Facebook:
„Ich wünsche uns allen, dass wir aus diesem Zerwürfnis zwischen den Staatschefs der Ukraine und der USA mit minimalen Verlusten herauskommen. Die Ukraine kann es sich nicht leisten, die Unterstützung der USA ausgerechnet jetzt zu verlieren, wenn über die Bedingungen eines Friedensabkommens entschieden wird. Auf jeden Fall erhalten sowohl Selenskyj als auch das ukrainische Volk eine lehrreiche Lektion darüber, was Realpolitik ist – und dass Interessen und nicht Werte die Welt regieren. Und dass der Aggressor nicht immer bestraft wird und die Gerechtigkeit siegt. So traurig es auch ist, das zuzugeben.“
Alle sehen, was von Trump zu halten ist
Die USA nun auch noch als Gegenspieler zu haben, sollte für die Ukrainer kein Grund zur Panik sein, kommentiert die taz:
„Trumps Schulterschluss mit Putin [adelt] den Kampf der Ukraine auch in den Augen der Weltmehrheit, die die US-Außenpolitik kritisch sieht, als Freiheitskampf. ... [Die Ukrainer] haben Putins Panzer zurückgeschlagen, sie werden auch mit Trumps Tiraden fertigwerden. Mit jedem Trump-Vorstoß in Richtung eines Scheinfriedens, der Russlands Krieg legitimiert, wird dieser diplomatisch schwerer durchzusetzen. Denn von Grönland bis Panama weiß inzwischen die ganze Welt, was von Trump zu halten ist. Sie werden nicht durchkommen, lautet ein alter antifaschistischer Spruch. Selten war er passender als in der Ukraine heute, nach drei Jahren Widerstand.“
Ukrainern beistehen
Die Direktorin des International Centre for Defence and Security, Kristi Raik, fordert Europa in Postimees auf, den Tatsachen ins Auge zu sehen:
„Die höchste Priorität sollte allen klar sein: Die Ukraine und Europa brauchen mehr Waffen, um den Krieg zu beenden und den nächsten Angriff zu verhindern. Die EU debattiert seit Monaten darüber, ob es möglich ist, die Haushaltsvorschriften zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben zu lockern, ohne den Sozialstaat zu beschneiden. Diese Debatten sind in keiner Weise vereinbar mit dem Leiden der Ukrainer an der Front und der wachsenden Gefahr, dass Europa ein größerer Krieg bevorsteht. Das wohlhabende Europa wiegt sich in der Hoffnung, dass es für seine Sicherheit nichts aufgeben muss.“
Eigene Allianz aufbauen
Nach der Annäherung von Trump an Putin sieht Aftonbladet Europa in der Pflicht:
„Die Nato war das stärkste Verteidigungsbündnis der Welt. Dieser Fakt verlor seine Gültigkeit, als Donald Trump Zweifel an Artikel 5 des Bündnisses [Beistandspflicht] äußerte. ... Es ist durchaus möglich, eine Verteidigungsallianz auf EU-Ebene aufzubauen, die die Nato ersetzt und die nationale Verteidigung ergänzt. ... Die EU trägt mehr zur Verteidigung der Ukraine bei als die USA. Im Gegensatz zu Washington haben wir unsere Versprechen gehalten und geliefert. Europa kann auf eigenen Beinen stehen. Alles was erforderlich ist, ist der politische Wille.“
Gemeinsame Sache gegen China?
Für Trumps russlandfreundliche Haltung gibt es einen Erklärungsansatz, meint Club Z:
„Geostrategen versuchen, die Politik der US-Regierung mit einem Geniestreich à la Kissinger zu deuten: Trump versuche Russland für einen möglichen Konflikt der USA mit China auf seine Seite zu bringen. ... Doch es gibt mindestens zwei wesentliche Unterschiede zur Situation in den 1970er Jahren, als Nixon nach China reiste, um es auf seine Seite gegen die UdSSR zu ziehen. Erstens geschah dies nach einem echten militärischen Konflikt zwischen China und der UdSSR. Heute sind die Beziehungen zwischen China und Russland hervorragend. ... Zweitens gingen Nixons Annäherungsversuche an Peking nicht auf Kosten der europäischen Verbündeten der USA, und Trumps Politik richtet sich offen gegen die Stabilität der EU und der Nato.“