Vatikan erlaubt Segnung von homosexuellen Paaren
Papst Franziskus hat verfügt, dass in der katholischen Kirche künftig neben der Ehe von Mann und Frau auch ein Segen für gleichgeschlechtliche Paare möglich sein soll – allerdings ausdrücklich ohne deren Status gutzuheißen. Trotz früherer Andeutungen Franziskus' hatte Rom noch 2021 einen solchen Segen kategorisch ausgeschlossen. Medien aus stark katholisch geprägten Ländern reagieren sehr positiv.
Die meisten Gläubigen denken längst so
So wird der Katholizismus inklusiver und einladender, applaudiert The Irish Times:
„[Die Verfügung] kennzeichnet einen überaus deutlichen, willkommenen und überfälligen Wandel hin zu einer Anerkennung, dass auch LGBTQ-Katholiken in der Kirche einen Platz haben. Die Erklärung vom Montag spiegelt dabei auch die weniger verurteilende Haltung wider, die das Markenzeichen von Franziskus' Reformpontifikat ist. ... Die Entscheidung wird von den irischen Katholiken begrüßt werden, die gleichgeschlechtliche Ehen mit überwältigender Mehrheit befürworten. Viele werden hoffen, dass dies nur ein weiterer Schritt der Reform hin zu einer integrativeren und einladenderen Kirche ist.“
Großer Tag für die Integration von LGBT-Katholiken
Público-Kolumnistin Carmo Afonso spricht von einer wegweisenden Entscheidung:
„Das ist ein großer Schritt in eine Richtung, auf die viele gewartet haben und die lange auf sich warten ließ. Ich spreche von der vollständigen Integration der LGBT-Katholiken in die Kirche. ... Während viele die Bedeutung dieses Fortschritts herunterzuspielen, sagen andere, dass sie das Thema nicht interessiert. Das Argument lautet: Es ist mir egal, ob eine veraltete Institution meine Identität oder meine Entscheidungen bestätigt. Tatsache ist, dass dies für viele LGBT-Menschen ein grundlegendes Thema ist. Sie sind Katholiken, und dieser Prozess eröffnet die Möglichkeit, voll in die Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Wie könnte uns das gleichgültig sein?“
Sein Wille geschehe
Über einen wichtigen Schritt der Akzeptanz freut sich Malta Today:
„Man kann nur hoffen, dass die maltesische Kirche diese Leitlinien und den Geist, der ihnen zugrunde liegt, voll annimmt. ... In der biblischen Tradition hat Gott zwar einen Mann und eine Frau geschaffen, damit sie Kinder zeugen, aber auch eine Vielfalt anderer Menschen an ihrer Seite. Nur durch patriarchalische Arroganz wurde der Wille Gottes im Laufe der Jahrtausende so interpretiert, dass er die menschliche Vielfalt und die Beziehungen, die sich daraus ergeben, unterdrückt hat. Denn wie kann ein liebender Gott zwei Männer ausschließen, deren einzige 'Sünde' darin besteht, einander zu lieben?“
Heuchlerische PR-Übung
Matt Cain, ein führender Kommentator zu Themen im Bereich LGBTQ+, bringt seinen Ärger in The Guardian zum Ausdruck:
„Papst Franziskus, Ihren Segen können Sie sich sonst wohin stecken. Er ist ein Feigenblatt, eine PR-Übung, ein Mittel, weichgespülte Vorurteile wie einen Schritt in Richtung Akzeptanz aussehen zu lassen. ... Die meisten Religionen haben nicht mit der Weiterentwicklung der Gesellschaft Schritt gehalten. Und mit dieser neuesten Ankündigung hinkt der Katholizismus weiter meilenweit hinterher. Zähneknirschend bietet man nun an, Verbindungen zu 'segnen', die man ausdrücklich nicht 'billigen' kann. Das ist schon fast absurde Heuchlerei. ... Netter Versuch, Papst Franziskus. Aber für mich wird nur Gleichheit durchgehen können.“
Großer Spagat für Papst Franziskus
Man sollte den Schritt nicht vorschnell als unzureichend abtun, meint Der Standard:
„Auch sollte die Neuerung nicht allein vor einem europäischen – oder auch: westlichen – Hintergrund betrachtet werden. Der Katholizismus ist eine Weltreligion, die im Globalen Süden immer mehr Gläubige auf sich vereint, während sich deren Zahl in Ländern des Nordens unaufhaltsam verringert. In ärmeren Regionen kann die größere vatikanische Toleranz gegenüber Homosexuellen vielleicht auch insgesamt zu Verbesserungen für sie führen – hierzulande erscheint sie unzureichend. Auch das zeigt, wie weit der inhaltliche Spagat für Papst Franziskus ist.“
Zeichen vorsichtigen Wandels
Kommunikationswissenschaftlerin Sandra Veinberga sieht in Tvnet positive Signale:
„Diese Äußerungen des Papstes signalisieren, dass die Zeit für Veränderungen gekommen ist. … Man könnte argumentieren, dass es fast keine Veränderung gegeben hat, denn gesagt wird nur, dass es nicht verboten ist, Menschen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen auf die gleiche Weise zu segnen wie jeden Gläubigen allein. … Vielleicht hat Papst Franziskus damit den Fokus konsequent auf konkrete menschliche Situationen gelegt und weist damit in eine Richtung, die die Akzeptanz sexueller Minderheiten in der katholischen Kirche verbessert. … Nicht durch eine Änderung der Ansichten über die Ehe, sondern durch Schritte hin zu einer alternativen 'gesegneten' Form der Beziehung homosexueller Menschen zu ihrer Kirche.“
Jetzt ist alles möglich
Mit großer Dankbarkeit wird der Papst nicht rechnen können, vermutet die Welt:
„Im Gegenteil: Der Protest großer Teile der Weltkirche, in den USA, in Afrika, nicht zuletzt in Rom selbst wird robust ausfallen. Es wird heißen, er habe die Kirche verraten, er habe alte Überzeugungen auf dem Altar des Zeitgeistes geopfert. Doch Papst Franziskus, der am Wochenende 87 Jahre alt wurde und sichtlich mit gesundheitlichen Problemen kämpft, nimmt darauf keine Rücksicht mehr. Es wirkt, als spüre da jemand, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt, wenn er seinem Pontifikat noch eine Kontur jenseits der Ankündigungen verleihen will. Was er wohl noch alles vorhat? Seit diesem Montag ist auf einmal wieder alles möglich.“
Peinliche Anbiederung
Für den Spectator ist die Segnung von homosexuellen Paaren ein Affront gegenüber den Gläubigen:
„Wir werden von einem Mann geführt, der dem Zeitgeist nachrennt und dabei die schwindende Schar von Menschen verprellt, die der Kirche durch Skandale und Pandemien hindurch die Treue gehalten haben. ... Hätte sich Franziskus doch besser darauf konzentriert, seine ganze Energie auf die Armen und Marginalisierten zu verwenden, dann würde sein Pontifikat vielleicht in guter Erinnerung bleiben. Stattdessen lenkt er durch ständiges politisches Gezeter und die Zerstörung von Traditionen von der schwierigeren und wichtigeren Arbeit eines Christen ab – nämlich die Ärmel hochzukrempeln und zu lieben. Sein Bekenntnis zur Weltoffenheit ist zur Nabelschau verkommen.“