Merkel und Obama diskutieren Waffenlieferungen
Bundeskanzlerin Angela Merkel trifft am heutigen Montag US-Präsident Barack Obama, um über die gemeinsame Strategie im Ukraine-Krieg zu sprechen. Zuvor hatte sie ihr Nein zu Waffenlieferungen bekräftigt, die in den USA vor allem Republikaner fordern. Nur westliche Waffen können Putin Einhalt gebieten, meinen einige Kommentatoren. Andere warnen davor, dass Hardliner einen Keil zwischen Merkel und Obama treiben.
Putins Nadelstichen ein Ende bereiten
Waffenlieferungen sind überfällig, will man der russischen Vormacht in der Ostukraine ein Ende bereiten, meint die liberal-konservative Neue Zürcher Zeitung: "Moskau liefert den Separatisten Flugabwehrsysteme und Panzer, und es versorgt sie mit den Ergebnissen seiner militärischen Aufklärung. Spezialkräfte bedienen die modernen Waffen und bilden die Rebellen aus. Die ukrainischen Streitkräfte hingegen besitzen veraltetes Gerät, und es fehlt ihnen an Munition. Ihre Position wird von Tag zu Tag schwächer. Bleibt es dabei, vermag Putin die Bedingungen in der Ostukraine nach Belieben zu diktieren. Er kann seine Kräfte weiter vorstossen lassen oder sich auf die Arrondierung der erfolgten Eroberungen und auf Nadelstiche beschränken. Dies wäre ziemlich genau das Gegenteil dessen, was Merkel und die weniger werdenden Anhänger rein diplomatischer Initiativen angeblich wollen: Frieden für die Ukraine."
EU und USA müssen an einem Strang ziehen
EU und USA dürfen sich in der Debatte um Waffenlieferungen an die Ukraine nicht spalten lassen, mahnt die linksliberale Tageszeitung Der Standard: "Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama müssen bei ihrem Treffen einen Weg finden, um das zu vermeiden. Einfach wird das nicht werden. Obwohl der vorsichtige Obama eher Merkels Linie zuneigt, steht er unter großem Druck des Kongresses. Gemeinsame Position könnte sein, dass die USA Kiew defensive Waffen liefern, durch die dessen Armee nicht mehr ganz so hilflos Artilleriebeschuss und Drohnenangriffen ausgeliefert ist. Gleichzeitig könnte Obama auch zusichern, mit den jüngsten EU-Sanktionsrunden gleichzuziehen."
Waffen für Ukraine destabilisieren ganz Europa
Die Debatte um Waffenlieferungen ist Ausdruck der allgemeinen Ratlosigkeit im Umgang mit dem Krieg in der Ostukraine, analysiert die liberale Tageszeitung Le Monde: "In Wirklichkeit hat niemand außer ein paar republikanischen Tenören im amerikanischen Kongress und den unbeirrbaren Balten und Polen Lust, der Ukraine Waffen zu liefern. Präsident Obama ist skeptisch, die europäischen Politiker sind sich des Risikos der Eskalation bewusst. Manche sagen das deutlicher als andere. Doch trotz des erneuten deutsch-französischen Verhandlungsversuchs, der Europa an diesem Wochenende in Atem gehalten hat, weiß jeder, dass die Frage im Raum steht und man darüber nachdenken muss. Dass sie wieder auf den Tisch kommen wird, ganz egal, wie die Mission Merkel-Hollande ausgeht. Die Ukraine bewaffnen? Es gibt letztlich kaum überzeugende Argumente, weder dafür noch dagegen. Waffen an ein fast bankrottes Land mit 46 Millionen Einwohnern zu liefern, wäre jedenfalls kein Faktor der Stabilität für Europa."
Obama muss mit Merkel solidarisch sein
John McCain hat Merkels Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine mit der Appeasement-Politik gegenüber Nazi-Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg verglichen. Die Haltung des republikanischen Senators ist völlig kontraproduktiv, meint der liberal-konservative Tagesspiegel: "Eine Erschwernis für die Unterhändler der Zivilgesellschaften Europas ist die Kritik von US-Senator John McCain an Angela Merkel. Der Kanzlerin Beschwichtigungspolitik wie 1938 vorzuwerfen und ihr zu unterstellen, es sei ihr wohl egal, dass in der Ukraine Menschen 'abgeschlachtet' würden - das ist unsäglich, ist geschichtsvergessen. Er untergräbt die Gemeinschaft. Diesen Akt der Illoyalität unter Partnern hätte Außenminister John Kerry viel klarer zurückweisen müssen, um sich im Namen der Obama-Regierung eindeutig davon abzusetzen. Aber der Präsident selbst hat ja Gelegenheit, Angela Merkel, der entscheidenden Unterhändlerin für den gesamten Westen, bei ihrem Treffen zu Beginn dieser entscheidenden Woche seine Solidarität zu bekunden."