Poroschenko will UN-Mission in Ostukraine
Nach dem Abzug ukrainischer Truppen aus Debalzewe hat Präsident Petro Poroschenko am Mittwoch den Einsatz einer UN-Mission in der Ostukraine vorgeschlagen. Der Friedensvertrag von Minsk ist bereits gescheitert, bemerken einige Kommentatoren. Andere glauben, dass der Feldzug der prorussischen Separatisten mit der Eroberung von Debalzewe gestoppt und Frieden nun möglich ist.
Separatisten haben wohl noch nicht genug
Der Einnahme der Stadt Debalzewe durch prorussische Separatisten könnten weitere Angriffe auf ukrainische Städte folgen, warnt die liberal-konservative Neue Zürcher Zeitung: "Der Fall von Debalzewe muss allen jenen zu denken geben, die unverdrossen daran glauben, dass der Ukraine-Konflikt am Verhandlungstisch gelöst werden kann. Es werden nun jene Auftrieb erhalten, die zu Waffenlieferungen an Kiew bereit sind. Die Ukraine ist Russland militärisch weit unterlegen und damit auch erpressbar. Moskau wäre jederzeit in der Lage, mit militärischen Mitteln eine Landverbindung zur annektierten Halbinsel Krim zu schaffen. Es ist alles andere als gewiss, dass der Landhunger der Separatisten und damit auch Moskaus mit der Einnahme von Debalzewe gestillt ist, wie die Gegner von Waffenlieferungen hoffen. Doch was geschieht, wenn die Separatisten versuchen sollten, die Stadt Mariupol unter ihre Kontrolle zu bringen? Auch sie ist für die Aufständischen vor allem wegen des Hafens strategisch wichtig. Und sie betrachten auch diese Stadt als ihr Land."
Nun besteht echte Chance auf Waffenruhe
Die heftigen Gefechte um Debalzewe in den vergangenen Tagen könnten darauf hindeuten, dass beide Seiten davon ausgehen, dass die Waffenruhe letztlich halten wird, analysiert die linksliberale Tageszeitung The Guardian: "Es war schon bei der Einigung auf einen Waffenstillstand vergangene Woche offensichtlich, dass beide Seiten hart dafür kämpfen würden, vor dessen Inkrafttreten Gebietsgewinne zu erzielen oder dem anderen solche zu verwehren, insbesondere in Debalzewe. ... Derartige Landnahmen sind natürlich Verstöße, doch sie zeugen vielleicht auch von der Erwartungshaltung, dass die Feuerpause halten wird. Warum sollte man Männer und Gerät aufwenden, um sich einen Vorteil zu verschaffen, wenn man nicht davon ausgeht, sich diesen sichern zu können? Die Russen und die Separatisten dachten vermutlich, sie würden damit durchkommen und sich danach in scheinbar verlässliche Partner des Abkommens wandeln."
Poroschenko muss Donbass verloren geben
Für den Fall des Scheiterns der Waffenruhe hatte Poroschenko schon in der vergangenen Woche angekündigt, das Kriegsrecht verhängen zu wollen. Das wäre jedoch der falsche Weg, warnt das Nachrichtenportal Spiegel Online: "Ein Jahr nach der Revolution wäre die Ukraine dann auf dem Weg, die Ideale zu verraten, für die die Menschen auf den Maidan gegangen waren. Die ukrainische Armee sollte deshalb die Waffen strecken. Die Ukraine hat zwar alles, was recht ist, auf ihrer Seite. Aber der Donbass ist verloren - zumindest vorerst. Wenn Poroschenko das nicht versteht, droht er darüber eine viel größere Schlacht zu verlieren: Den Kampf um eine moderne, europäische Ukraine. Der Westen muss die Ukraine im Gegenzug finanziell massiv unterstützen. Das ist der Preis für Stabilität in der Nachbarschaft der EU. Die Kosten eines Krieges sind in jedem Falle noch höher."
Debalzewe zeigt Blauäugigkeit des Westens
Am Fall von Debalzewe ist die Naivität der westlichen Politiker schuld, die immer wieder glauben, dass Russland ein seriöser Verhandlungspartner sei, schimpft Tomasz Walczak in der konservativen Boulevardzeitung Super Express: "Ich möchte jetzt mal die Gesichter von Angela Merkel und François Hollande sehen, die mit ihrer Vereinbarung von Minsk für eine Waffenruhe in der Ostukraine gebürgt haben. Sie sind nun Teilnehmer in einem erneuten Akt eines Schauspiels geworden, das Putin inszeniert hat. Und wieder einmal haben sie sich von ihm an der Nase herumführen lassen. Gestern hat man wieder gesehen, dass jeder Vertrag, den man mit dem russischen Präsidenten schließt, nicht das Papier Wert ist, auf dem er gedruckt ist. ... Natürlich verfügt der Westen über geeignete Instrumente, um Putin die Stirn zu bieten. Doch muss man zunächst einmal die Realitäten akzeptieren, die Merkel und Hollande bisher konsequent nicht sehen wollen."
Merkel hat sich im Ukraine-Konflikt überschätzt
Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel hat im Ukraine-Konflikt die Bedeutung der USA und Russland vernachlässigt und sich dabei wohl verhoben, mutmaßt die linksliberale Tageszeitung Delo: "Der Krieg in der Ukraine ist die größte Gefahr für den Frieden in Europa. ... Die Führung des westlichen und östlichen Teils des Landes übernehmen bereits die USA und Russland, das schwächelnde Land zerfällt. Die Schuld daran tragen zu etwa gleichen Teilen die beiden Großmächte und auch die Ukraine selbst. Ungeachtet des Scheins, dass Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande den Frieden in Europa retten, gibt es kaum Zweifel daran, dass sich die deutsche Kanzlerin in dieser Krise überschätzt hat. Im geopolitischen Kräftemessen zwischen Russland und den USA ist sie hilflos und nicht mächtig genug. Anders als in Europa, wo Angela Merkel die inoffizielle Präsidentin Europas ist."