Neue Regeln für Österreichs Muslime
In Österreich hat das Parlament am Mittwoch das Islamgesetz novelliert, um Rechte und Pflichten der Muslime im Land neu zu regeln. Unter anderem wird die Finanzierung muslimischer Gemeinden aus dem Ausland verboten. Wien versucht, einen einheimischen Islam zu begründen, loben einige Kommentatoren. Andere kritisieren, dass das Gesetz die Muslime unter Generalverdacht stellt.
Wien stellt Muslime unter Generalverdacht
Das Gesetz mutet an wie ein Sicherheitsgesetz und schürt Vorurteile, kritisiert die linksliberale Tageszeitung Der Standard: "Die Regierung will einen Islam österreichischer Prägung forcieren. Die Frage ist, ob sie das mit diesem Gesetz erzwingen kann. Einzelne Passagen lassen darauf schließen, hier handle es sich um ein Sicherheits- und nicht um ein Religionsgesetz. Es stellt Muslime unter Generalverdacht. In Zeiten, in denen eine konkrete Bedrohungslage einer allgemeinen, diffusen Angst Platz macht, werden Vorurteile geschürt: Bei den Muslimen in Österreich - und ihnen widmet sich das Gesetz - sind die Gefahr, der Extremismus und vielleicht auch der Terror zu Hause. Diese Unterstellung ist keine gute Voraussetzung für ein Miteinander, das helfen könnte, Ängste abzubauen. Da fühlen sich beide Seiten bedroht, die Muslime ebenso wie die Nichtmuslime. Die Regierung in Wien hat den richtigen Ton nicht getroffen."
Österreich strebt einheimischen Islam an
Österreich macht es richtig, wenn es von seinen Muslimen fordert, dass diese einen eigenen Islam begründen, meint die konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Damit der Leitsatz des Gesetzes - 'Der Islam gehört zu Österreich' - eine breite gesellschaftliche Akzeptanz findet, wird sich der in Österreich praktizierte Islam weiter von dem Islam der Herkunftsländer der Muslime abnabeln müssen. Selbstverständlich sind die Formulierungen im Gesetz, dass das staatliche Recht über dem religiösen steht und dass sich die Muslime zur Gesellschaft und dem Staat, in dem sie leben, bekennen müssen. Gefragt ist dazu ein Islam, der mit der Lebenswirklichkeit der Muslime hierzulande in Einklang steht. Was Österreich anstrebt, wollen alle in Europa: Die Muslime sollen einen einheimischen Islam hervorbringen, letztlich einen Euro-Islam. Das bedeutet auch, dass Imame dann nicht mehr in dem Maße wie bisher aus der Türkei entsandt und dass etwa aus Saudi-Arabien keine Gelder mehr zu Finanzierung von Moscheen angenommen werden dürfen."
Keine Antwort auf den Radikalismus
Das Verbot der ausländischen Finanzierung muslimischer Vereine und Moscheen verhindert eine Gleichheit der Religionen vor dem Gesetz und kann sich bei der Bekämpfung von muslimischem Radikalismus als kontraproduktiv erweisen, fürchtet die liberale Tageszeitung Público: "Manche Änderungen gefallen den lokalen Gemeinschaften, so zum Beispiel die Anerkennung von Feiertagen. ... Aber es gibt eben auch eine Änderung, die starke Proteste hervorrief: das Verbot für Moscheen und Imame, finanzielle Unterstützung aus dem Ausland zu erhalten - was christliche und jüdische Glaubensgemeinschaften ohne Probleme tun können. Österreich irrt, wenn es glaubt, dass man so die terroristische Bedrohung eindämmen wird. Wenn man die Rechte moderater Muslime begrenzt und sie stärker überwacht, wird der Druck durch den Radikalismus nicht verringert. Vielmehr könnte das Gegenteil erreicht werden."