Netanjahu kritisiert Atom-Deal mit Iran
Israels Premier Benjamin Netanjahu hat am Dienstag in seiner Rede im US-Kongress vor dem geplanten Atom-Deal des Westens mit dem Iran gewarnt. Teheran werde dadurch nicht am Bau von Atombomben gehindert. Israels Sorgen sind durchaus berechtigt, meinen einige Kommentatoren. Andere werfen Netanjahu vor, mit seinem Auftritt die wichtige Allianz zwischen den USA und Israel aufs Spiel zu setzen.
Israels Verhältnis zu USA nachhaltig gestört
Mit seiner Rede vor dem US-Kongress hat Israels Premier das Verhältnis zu den USA nachhaltig gestört, glaubt die rechtskonservative Basler Zeitung: "Netanjahu war nämlich auf Einladung der oppositionellen Republikaner nach Washington gereist. Der Auftritt vor den US-Parlamentariern war mit Obama nicht koordiniert gewesen. Damit hat Netanjahu das Vertrauen untergraben und die Allianz mit Amerika geschwächt, die für Israels Überleben zentral ist. Die israelisch-amerikanischen Beziehungen waren während Jahrzehnten sowohl von den Demokraten als auch von den Republikanern getragen worden. Sie waren Teil eines überparteilichen, nationalen Konsenses. Jetzt hat sie Netanjahu in den Strudel des amerikanischen Parteiengezänks gezogen. Das stellt die automatische und bedingungslose Unterstützung durch die USA infrage, auf die Israel angewiesen ist. Wird diese labil und zum Spielball der Demokraten und Republikaner, ist das für Israel mindestens so gefährlich wie die Aussicht, dass Teheran irgendwann in naher Zukunft über eine A-Bombe verfügt."
Netanjahus Sorge ist durchaus berechtigt
Angesichts der Emotionen, die der Auftritt des israelischen Premiers Netanjahu im US-Kongress ausgelöst hat, sollte man das eigentliche Problem nicht vergessen, mahnt die wirtschaftsliberale Tageszeitung Hospodářské noviny: "Die USA machen gegenüber dem Iran einen Rückzieher nach dem anderen. Vor zwei Jahren behauptete Obama, man werde nicht zulassen, dass Teheran über ein Atomprogramm verfügt. In Wahrheit wird das aber nicht gestoppt, sondern nur verlangsamt. ... Da der Iran eine internationale Aufsicht über den militärischen Zweig seines Atomprogramms ablehnt und gleichzeitig intensiv an einer Langstreckenrakete arbeitet, kann es nicht verwundern, dass Israel - und womöglich auch Saudi Arabien und andere sunnitische Staaten der Region - mehr als nervös sind. ... Netanjahus warnender Auftritt im Kongress war sicher ein bisschen unglücklich. Die Gefahr aber, auf die er aufmerksam machen wollte, ist sehr ernst."
US-Kongress für Wahlkampf missbraucht
Mit dem Iran hat der Auftritt von Israels Premier nur wenig zu tun, vielmehr geht es um die vorgezogene Knesset-Wahl am 17. Mai, kommentiert die linksliberale Tageszeitung La Repubblica: "Eine fremde Führungskraft 'besetzt' den Kongress der Vereinigten Staaten und nutzt ihn als Bühne für seinen Wahlkampf, indem er die Regierung des Gastgeberlands angreift. Die Historiker werden nur einen einzigen Präzedenzfall finden, in dem ein ausländischer Politiker an den US-Kongress appellierte: Es handelt sich um niemand Geringeren als Winston Churchill, den großen britischen Staatsmann, strategischer Verbündeter im Weltkrieg gegen den Faschismus. ... Netanjahus Wiederwahl, denn nur darum geht es, wird einen hohen Preis haben. Sie wird einen Makel in den Beziehungen zwischen Amerika und Israel hinterlassen. Die Hälfte der US-Bürger verurteilt die Einladung des Kongresses. Zudem trübt sie das Bild des Kongresses, der ohnehin schon auf dem Tiefpunkt seiner Glaubwürdigkeit angelangt ist."
Israels Premier macht Weg frei für Atom-Deal
Mit seiner starren Haltung im Atomstreit mit dem Iran wird Israels Premier Benjamin Netanjahu genau das Gegenteil erreichen, prophezeit die liberale Tageszeitung NRC Handelsblad: "Fast jeder will einen Deal. Iran will aus seiner Isolation. Sanktionen und sinkende Ölpreise haben das Land in die Knie gezwungen. ... Und für die USA und die Europäer gehört der Iran nicht länger zur 'Achse des Bösen'. Sie brauchen den Iran als Verbündeten gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat im Irak und Syrien. Dabei hilft die Isolierung nicht, das haben sie gemerkt. ... Durch seine starre Haltung scheint Netanjahu die Unterhändler beider Seiten geradezu zu einen. Er macht es dem Iran leichter, Konzessionen zu machen. Wenn die Iraner gemäßigt auftreten, sorgen sie dafür, dass Netanjahu - und nicht sie selbst - die Buhmänner sind. Das macht es einfacher, den Deal - so schmerzhaft er auch sein mag - im Iran zu verkaufen."