Berlin und Athen streiten um Reparationen
Die Bundesregierung hat am Mittwoch Forderungen des griechischen Premiers nach Reparationszahlungen für erlittenes Unrecht im Zweiten Weltkrieg zurückgewiesen. Alexis Tsipras hatte diese am Dienstag in einer Rede vor dem Parlament formuliert. Er lehnt sich in der Schuldenkrise mal wieder gefährlich weit aus dem Fenster, schimpfen einige Kommentatoren. Andere loben, dass Tsipras Deutschland den historischen Spiegel vorhält.
Athens Forderungen sind gefährlicher Unfug
Seit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990/91, der den offiziellen Namen "Abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland" trägt, ist die Frage der Reparationsforderungen nach Ansicht der konservativen Frankfurter Allgemeinen Zeitung entschieden: "Eigentlich war man sich damals einig, dass solche Forderungen, wegen unbestritten schrecklicher Verbrechen, in der heutigen Friedensordnung obsolet sind. Deutsche und europäische Gerichte sowie der Internationale Gerichtshof haben das Fass der Reparationen aus gutem Grund nicht wieder aufgemacht. ... Deutschland hat sich stets zu seiner Verantwortung für das ohnehin kaum wiedergutzumachende Unrecht bekannt - und dafür gezahlt. Doch wer heute noch immer wieder diese Karte zieht, muss wissen, was er tut. Der Fall ist nicht nur rechtlich entschieden, sondern gefährlicher Unfug in Zeiten der Euro-Rettung, in denen Deutschland sogar berechtigten Athener Forderungen eine üppige eigene Rechnung entgegensetzen könnte."
Tsipras kontert lediglich deutsche Strenge
Der griechische Premier Alexis Tsipras hält den Deutschen mit seinen Reparationsforderungen geschickt den historischen Spiegel vor, analysiert die konservative Tageszeitung Lidové noviny: "Tsipras will einen Schuldenschnitt. Deshalb tischt er das Thema Zweiter Weltkrieg auf. Wenn ein notorischer Schuldenmacher die Streichung der Schulden verlangt, wirkt er wie eine arrogante Göre. Wenn er sich dabei jedoch in die Rolle eines nicht entschädigten Kriegsopfers begibt, ist er moralisch überlegen. Tsipras fragt, ob Deutschland sich moralisch verhält. Das ruft aber sofort eine Gegenfrage hervor: Ist es moralisch, seine Schulden nicht zu bezahlen? ... Als 1953 Deutschland die Zahlung von Reparationen bis zu einem Friedensvertrag gestundet wurde, ahnte jeder, dass diese Zahlungen nie erfolgen würden. Allerdings konnte auch jeder ahnen, dass Griechenland seine Schulden nie bezahlen würde. Angesichts dessen ist die deutsche Strenge gegenüber Athen heuchlerisch."
Griechenland erstmals in der Offensive
Der griechische Justizminister Nikos Paraskevopoulos will die Pfändung deutscher Immobilien in Griechenland erlauben, sollte es keine Einigung über die griechischen Reparationsforderungen geben. Blogger Pitsirikos sieht Athen in die Offensive gehen: "Zum ersten Mal seit vielen Jahren muss die deutsche Regierung Griechenland gegenüber eine defensive Haltung einnehmen. Dieses Spiel heißt 'Politik'. ... Griechenland verlangt erstmals offiziell die Reparationen, weil es erstmals eine Regierung hat, mit der die Deutschen nicht machen können, was sie wollen. ... Deutschland hat einen sehr großen Fehler gemacht: Es hat zu viel Druck auf Griechenland ausgeübt und die Griechen damit gezwungen, die Politiker und Parteien, die Deutschland in der Hand hatte, in die Opposition zu schicken. Somit hat die Bundesregierung das Spiel verloren."