Frankreich rückt nach rechts
Das konservativ-bürgerliche Lager unter Ex-Präsident Nicolas Sarkozy hat sich bei den französischen Départementswahlen am Sonntag eine klare Vorherrschaft gesichert. Der rechtsextreme Front National gewann weniger Stimmen als erwartet. Die Konservativen müssen entscheiden, ob sie künftig mit den Rechtsextremen paktieren wollen, meinen einige Kommentatoren. Andere sehen Sarkozy bereits als Gewinner der Präsidentschaftswahl 2017.
Gesetz des Wechsels auf Sarkozys Seite
Nicolas Sarkozy kann schon jetzt auf einen Sieg bei der Präsidentschaftswahl 2017 hoffen, glaubt die liberal-konservative Tageszeitung Corriere della Sera: "Allzu große Sehnsucht nach Sarkozy haben die Franzosen eigentlich nicht. Sein Image ist abgenutzt, seine Energie wird eher mit Arroganz denn mit Kraft in Verbindung gebracht. Die Erinnerung an seine Präsidentschaft beschwört die Wirtschaftskrise, die Unterwürfigkeit Merkel gegenüber und die verheerenden Folgen des Libyen-Einsatzes herauf. ... Doch das Gesetz des Wechsels begünstigt ihn. In den letzten 35 Jahren haben die Regierenden immer die Wahlen verloren. ... Das liegt aber weniger an den Politikern, denn an Frankreich selbst. Es verspürt seine eigene Bedeutungslosigkeit, sofern es nicht im Schlepptau der bewunderten deutschen Feinde ist. Es sieht seinen Wohlstand zerrinnen, den es in den glorreichen Jahren zwischen 1944 und 1974 aufgebaut hat. Einen Niedergang, gegen den sich alle Führungskräfte als machtlos erwiesen haben. Sarkozy inbegriffen."
Gretchenfrage für die UMP
Nach dem Sieg bei den Départementswahlen müssen Frankreichs Konservative nun entscheiden, ob sie sich für Bündnisse mit dem rechtsextremen Front National öffnen, glaubt die liberal-konservative Neue Zürcher Zeitung: "Bei der konservativen Rechten steht ein Entscheid bevor, ob man eher bereit ist, mit den Linken zusammenzuspannen oder aber mit den Rechtspopulisten. Eine klare Abgrenzung gegenüber dem Front national befürwortet Alain Juppé, derzeit der einzige ernsthafte Rivale Sarkozys. Dieser wiederum hält sich bedeckt: Die Wähler sollten weder für linke Parteien stimmen noch für Kräfte rechts aussen, lautete seine Parole. Eine klare Abgrenzung von den Frontisten vermeidet er; er verzichtet auch darauf, dem Front national die 'republikanische' Legitimation abzusprechen, wie [Premier] Valls es tut. Wie weit darf oder soll Nicolas Sarkozy sich von Marine Le Pen in Versuchung bringen lassen? Im Lager der Konservativen dürfte diese Frage noch für ausgiebige Diskussionen sorgen."
Kein Grund zur Freude für Sarko
Über ihren Sieg bei den Départementswahlen sollten sich die Konservativen nicht freuen, warnt die linksliberale Tageszeitung Der Standard: "In Wahrheit glauben die frustrierten, von der Krise gebeutelten Wähler genauso wenig an Sarkozy wie an Hollande. Sie wählten Ersteren aus dem Élysée raus und hatten seither keinerlei Grund, ihr Votum zu berichtigen - außer um die neuen Machthaber abzustrafen. Die eigentlichen Negativwähler, also jene des Front National (FN), gehen leer aus: Obwohl er im ersten Wahlgang mehr als 25 Prozent der Stimmen erhielt, gewann Marine Le Pen wegen des Mehrheitswahlrechts nur wenige Départementsräte - und kein einziges der 101 Départements. Das mag politisch erfreulich sein - aus demokratischer Sicht ist es bedenklich. Von links bis rechts außen sind die Franzosen zunehmend erbost über das dürftige Kandidatenangebot und das demokratische Manko ihres Landes."
Arbeiterklasse muss in die lokale Politik
Lediglich 97 aller 8.124 Kandidaten bei den Départementswahlen in Frankreich kamen aus der Arbeiterschicht. Der Historiker Arthur Hérisson fordert deshalb auf seinem Blog beim Wochenmagazin Marianne eine Quote für den Anteil politischer Vertreter mit hohen und niedrigen Einkommen: "Eine gleichmäßige Verteilung dieser beiden Gruppen in den lokalen Gremien anzustreben, würde es gestatten, die politischen Konsequenzen wirtschaftlicher Ungleichheit anzugehen, die unser Land spalten. ... Die Übernahme eines lokalen Mandats könnte zudem in einigen Fällen als Sprungbrett für ein späteres Abgeordneten- oder Senatorenmandat dienen und somit zu einer bedeutenden Erneuerung der politischen Klasse führen. Da die Arbeiterklasse auf diese Weise massiven Einzug in die politischen Entscheidungsorgane unseres Landes hielte, würde die Kluft verringert, welche die derzeitige politische Klasse von einem Großteil der Franzosen trennt. Gleichzeitig wäre eine bessere Verteidigung der Interessen der Arbeiterklasse als bislang möglich."