Nach langem Streit: EU-Kommission steht

Das Europäische Parlament hat den Weg für die neue EU-Kommission freigemacht. Am Mittwoch billigten die Fraktionsspitzen auch die sieben zuvor noch nicht bestätigten Kommissare. Vor allem um die als Vizepräsidenten nominierten Raffaele Fitto (EKR/Fratelli d'Italia) und Teresa Ribera (S&D/Sozialdemokraten) war heftig gestritten worden. Kommentatoren sparen nicht mit Kritik, vor allem am Prozess, aber auch am Ergebnis.

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La Repubblica (IT) /

Persönliche Fehde zulasten Europas

La Repubblica blickt auf die Gewinner des Tauziehens:

„Die Regierung Meloni hat es geschafft. Sie ergattert einen der sechs Vizepräsidenten-Posten. Ein Stuhl, der nichts zählt, wenn man darauf sitzt, aber von ihm wegen politischer Unwürdigkeit verdrängt zu werden, hätte weh getan. Ursula von der Leyen geht als Siegerin aus einer weiteren Falle hervor, die ihr von ihrem Parteikollegen, EVP-Chef Manfred Weber, gestellt wurde. Vor fünf Jahren sollte Weber Kommissionspräsident werden, doch Ursula von der Leyen schnappte ihm mit Unterstützung von Merkel und Macron den Job vor der Nase weg. Seitdem sinnt der CSU-Politiker aus Bayern auf Rache.“

Le Soir (BE) /

Weiterer Kratzer in der Glaubwürdigkeit

Die Anhörungen verkamen zum parteipolitischen Schauspiel, kritisiert Le Soir:

„Auf dem Papier ist die Anhörung der designierten Kommissare durch die Parlamentarier Ausdruck einer gesunden Regierungsführung. ... In Wirklichkeit haben die großen Anhörungen im November nur dazu gedient, das Parlament unglaubwürdig zu machen. Die Vorsitzenden der größten Fraktionen, der Konservativen, der Sozialisten und der Liberalen, haben zehn Tage lang bewiesen, dass die Bewertungen nicht auf Verdiensten, sondern auf parteipolitischen und wahltaktischen Motiven beruhen. Ein vorgetäuschter sachorientierter Prozess, der von nationalen Interessen und wahlpolitischen Taktiken instrumentalisiert wurde.“

El País (ES) /

Das wird eine sehr komplizierte Legislaturperiode

El País analysiert:

„Der EVP-Vorsitzende Manfred Weber hat es geschafft, Ribera als Geisel zu nehmen und die Sozialdemokraten dazu zu bringen, sich mit Raffaele Fitto, dem Kandidaten der extrem rechten Giorgia Meloni, und Viktor Orbáns Kandidaten Oliver Várhelyi abzufinden. ... Weber setzt damit seine Strategie der Verharmlosung der Rechtsextremen fort. ... Die Sozialdemokraten waren naiv, als sie dachten, die EVP würde Ribera als Nummer zwei in der Kommission akzeptieren, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. ... Außerdem machten sie die Abstimmung über Fitto zu einem entscheidenden Thema, ohne zu berücksichtigen, dass nach den Wahlergebnissen ultrakonservative Politiker nach Brüssel kommen werden. ... All das lässt eine sehr komplizierte europäische Legislaturperiode erwarten.“