Zwist um Syrien-Politik
Die Präsidenten Russlands und der USA haben zu Wochenbeginn die Syrien-Politik diskutiert, Hauptstreitpunkt bleibt die Person von Machthaber Baschar al-Assad. Laut einiger Kommentatoren hat sich Putin mit seiner Strategie durchgesetzt, Assad in den Kampf gegen die IS-Miliz einzubinden. Andere betonen, dass er nur vom Ukraine-Konflikt ablenken und Russland als Weltmacht darstellen will.
Westen darf Putin in Syrien nicht trauen
Mit seiner Syrien-Politik verfolgt Russlands Präsident Putin größtenteils Ziele, die nicht im Interesse der USA und der EU sind, warnt die konservative Tageszeitung Financial Times: "Moskau ist bemüht, sein militärisches Standbein in Syrien zu behalten. Und was noch entscheidender ist: Putin will den Fokus der Weltöffentlichkeit weglenken vom Konflikt in der Ukraine, der ihn zu einem internationalen Außenseiter gemacht hat. Außerdem will er die Aufmerksamkeit der Russen in der Heimat von einer schrumpfenden Wirtschaft ablenken, der die westlichen Sanktionen großen Schaden zugefügt haben. Er ist bestrebt, zu zeigen, dass Russland eine Weltmacht ist, die weder ignoriert noch isoliert werden kann."
Brandstifter wird Feuerwehrmann
Putin kann sich als Problemlöser gerieren, auch weil Obama Syrien nicht befrieden konnte, konstatieren die christlich-liberalen Salzburger Nachrichten: "Obamas Diktum, dass es mit Präsident Baschar al-Assad - der Quelle allen Übels - keine Zukunft für Syrien gebe, ist das genaue Gegenteil von Putins Plan, dass nur mit Assad noch größeres Chaos abzuwenden sei. ... Als Schutzherr Assads hat Putin zwar die Probleme in Syrien maßgeblich selbst verursacht. Aber nun kann er sich als Problemlöser hervortun. Der Brandstifter wird zum Feuerwehrmann. Zähneknirschend muss Obama diesen Rollentausch Putins hinnehmen, weil seine eigene Syrien-Strategie gescheitert ist: Den gemäßigten Rebellen im Assad-Staat hat er rechtzeitige Waffenhilfe verweigert. Das Projekt, heute durch US-Training bewaffnete Oppositionskräfte gegen Assad aufzubauen, kommt zu spät und wirkt nicht. Und: Mit Luftangriffen allein lassen sich die Terrorbrigaden des 'Islamischen Staats' (IS) nicht empfindlich schwächen."
Moskau geht es nicht um Kampf gegen IS
Putin hat nicht deshalb eine Allianz gegen die IS-Terrormiliz vorgeschlagen, weil er einen Krieg beenden will, glaubt die liberale Tageszeitung Dennik N: "Die Kernfrage ist, ob eine Ost-West-Koalition hilfreich ist, um die Terroristen des IS zu besiegen und den Strom der Flüchtlinge zu stoppen. Die Antwort lautet Nein. Der syrische Präsident Assad ist nicht die Lösung, er ist die Hauptursache aller Probleme und der Auslöser eines Bürgerkriegs, der den IS gebar. Ohne Assads Abgang werden weder der Krieg beendet noch die Flüchtlingswelle gestoppt werden. Putin weiß das ebenso wie Obama. Für Moskau haben denn auch das Ende des Kriegs und das Ende der Assad-Herrschaft über Syrien keine Priorität. Die Priorität besteht darin, dass Putin erneut in eine Position kommt, von der aus er die Welt mitregieren und ungestraft tun und lassen kann, was es will."
Russlands Assad-Narrativ setzt sich durch
Lange stritten Moskau und Washington über die Rolle Assads, doch nun hat Moskau sich durchgesetzt, urteilt die liberale Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore: "Putins Position - so zynisch sie auch erscheinen mag - ist gegenüber der US-amerikanischen Haltung als die kohärentere und realistischere hervorgetreten. Putin ist es gelungen, seine Idee von Assad als dem kleineren Übel zu verkaufen. ... In den vergangenen Wochen haben Ankara, Canberra, Berlin und London einen Positionswechsel signalisiert und lehnen nun ein Syrien, das von Assad regiert, nicht mehr strikt ab. Damit haben sie im Wesentlichen den russischen Interventionismus belohnt. Es ist allerdings paradox, dass derjenige, der als das kleinere Übel angesehen wird, die Mehrheit der Opfer unter der Zivilbevölkerung im seit vier Jahren andauernden Bürgerkrieg zu verantworten hat."