EU will Flucht aus Afrika verhindern
Die Staats- und Regierungschefs der EU und afrikanischer Staaten wollen am heutigen Donnerstag auf Malta einen Aktionsplan beschließen, mit dem Ziel, Afrikaner von der Flucht nach Europa abzuhalten. Die EU verrät erneut ihre Grundwerte, um sich weiter abzuschotten, kritisieren einige Kommentatoren. Für andere sind die Vorschläge nicht ausreichend, um den Exodus zu stoppen.
Bittsteller ohne Prinzipien
Die Flüchtlingskrise macht die EU zum Bittsteller ohne Prinzipien, erst Ankara und jetzt den afrikanischen Staaten gegenüber, konstatiert die liberale Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore: "In beiden Fällen, in der Türkei wie auch auf dem EU-Afrika-Gipfel, muss sie, um ihr Ziel zu erreichen, zurückhaltend sein und auf Kollisionskurs mit ihren Grundprinzipien gehen. Jahrelang hat die Union aus postkolonialem Ablasswunsch Entwicklungsgelder in den Schwarzen Kontinent gepumpt, die regelmäßig von Lektionen über demokratische und politische Ethik an diktatorische oder mehr als umstrittene Regime begleitet waren. Mit zwei Ergebnissen: Die Hilfen wurden verschwendet, weil sie fast gänzlich im schwarzen Loch der Korruption landeten, und der Unmut der Empfänger gegenüber den Lehrmeistern, die bisweilen auch Komplizen sind, ist gewachsen. Doch wenn Europa jetzt versucht, die Lösung der Krise jenseits der eigenen Grenzen zu suchen, geschieht dies, weil seine Unfähigkeit immer offensichtlicher wird, der Krise allein Herr zu werden."
Afrikaner weiter unter Hausarrest
Skeptisch, ob auf Malta humane Lösungen für die Flüchtlingskrise gefunden werden, zeigt sich der Direktor der französischen Nichtregierungsorganisation Migreurop, Emmanuel Blanchard auf dem Blog Open Democracy: "Die EU und ihre Mitgliedstaaten sind Willens, sich auf vielerlei schändliches Verhalten einzulassen: militärische Operationen in der Sahelzone unter der Ägide von Frankreich und Belgien sollen Flüchtlingsrouten abschneiden; Pläne für Flüchtlingslager in Niger wurden entworfen, um 'freiwillige' und erzwungene Rückkehrer von den europäischen Grenzen aufzunehmen; die repressivsten Regime erhalten Zuschüsse, um ihre Bevölkerung zurückzuhalten und die Grenzen 'zu sichern'. ... Es sind diese Werte - Unwirtlichkeit, Verweigerung grundlegender Rechte und zynische Verhandlungstaktiken - die die EU in Valletta an den Verhandlungstisch bringt. ... Wie bisher wird sie hartnäckig den Hausarrest für einen Großteil der Weltbevölkerung und die De-Facto-Einordnung von Migration als Verbrechen verteidigen."
Nur für Europa ist Migration ein Problem
Die Staats- und Regierungschefs der EU wollen die Migrationsbewegungen gen Norden eindämmen, ihre afrikanischen Kollegen haben daran jedoch gar kein Interesse, meint die linksliberale Süddeutsche Zeitung: "Es wäre naiv anzunehmen, dass unter Afrikas Staats- und Regierungschefs der Wille vorherrsche, den Exodus ihrer Bürger zu stoppen. Vielen von ihnen kommt es sehr gelegen, wenn die überwiegend jungen Männer zu Tausenden das Land verlassen, um im Norden irgendeine Arbeit zu finden und dann Geld nach Hause zu überweisen. Millionen von Großfamilien hängen von solchen Geldtransfers ab. Die jungen Menschen am Aufbruch zu hindern, hieße, noch mehr Perspektivlosigkeit und Frust im eigenen Land anzustauen. ... Die Europäer sollten also nicht erwarten, dass ihre afrikanischen Kollegen sich der Migration mit vereinten Kräften entgegenstemmen; einem Phänomen, das nur diesseits des Mittelmeers als 'Problem' wahrgenommen wird."
Ein Tropfen auf den heißen Stein
Der EU-Afrika-Gipfel auf Malta ist nach Ansicht der konservativen Tageszeitung Die Presse eine Alibi-Veranstaltung ohne Aussicht auf Erfolg: "Zu spät und zu wenig: So lässt sich denn auch die Intervention der EU in Malta zusammenfassen. Der Afrika-Fonds der EU-Kommission, dotiert mit einer angesichts der Mammutaufgabe geradezu lächerlichen Summe von 1,8 Milliarden Euro, mutet wie verstümmelte Entwicklungshilfe an. Dabei listet die EU-Aktionshilfe, eine gebündelte Alibi-Feuerwehraktion, durchaus richtige Maßnahmen auf: Finanzmittel für den Auf- und Ausbau staatlicher Infrastruktur, für Sicherheit und Grenzschutz, ein finanzieller Anreiz für die Rücknahme in Europa gestrandeter Flüchtlinge und quasi als Prämie für die Kooperation mit der EU eine Visaliberalisierung. All dies ist sicherlich gut und wichtig, aber nicht mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein. Der Kampf gegen einen Massenexodus hätte schon viel früher ein weit stärkeres Engagement erfordert."