Frankreichs Justizministerin tritt zurück
Aus Protest gegen die geplante Verschärfung der Anti-Terror-Gesetze ist die französische Justizministerin Christiane Taubira zurückgetreten. Ihr Nachfolger wird Jean-Jacques Urvoas, ein enger Vertrauter von Premier Valls. Die Regierung rückt unweigerlich nach rechts, meinen Kommentatoren.
Sozialisten zerstören ihre Wurzeln
Jean-Jacques Urvoas, Vertreter des rechten Parteiflügels der Sozialisten, ist am Mittwoch zum Nachfolger der zurückgetretenen Justizministerin Taubira ernannt worden. Dies zeigt, wie sehr sich die Partei von ihren Ursprüngen entfernt hat, bedauert die christlich-soziale Tageszeitung Le Courrier:
„Die Sozialistische Partei gleitet weiter nach rechts - um es höflich zu formulieren. Die Ministerin tritt wegen eines entscheidenden Vorhabens zurück: dem Passentzug. ... Angesichts dieser moralischen und politischen Niederlage des sozialistischen Lagers steigt die Politikerin des linken Flügels mit dem Verweis auf 'deutlichen politischen Dissens' aus, da sie lieber sich selbst und 'ihrem Verhältnis zu anderen' treu bleibt. Öffnet dies eine Luke für diejenigen im linken Lager, die nicht bereit sind, den Grundwerten der Arbeiterbewegung den Rücken zu kehren? Angesichts des Trümmerfelds, das der Bombenleger des Elysée-Palasts hinterlassen hat, kommen einem Sorgen.“
Valls weint Taubira keine Träne nach
Mit dem Rücktritt der französischen Justizministerin aufgrund der Pläne des Premiers Manuel Valls, verurteilten Terroristen die französische Staatsbürgerschaft zu entziehen, verschwindet die letzte Spur von Heterogenität aus der Regierung, analysiert die konservative Tageszeitung La Vanguardia:
„Der Rücktritt der Justizministerin führt zu einem Kabinett mit mehr Einigkeit und weniger Pluralität. Laut Hollande und Valls zwang die Herausforderung des Terrorismus zu einem engen Schulterschluss ohne Wenn und Aber für die Verfassungsreform (ein Team 'mit kollektiver Ethik und engem Zusammenhalt', wie es François Hollande ausdrückte). ... Zurückgetreten ist die Ministerin auf dem Fahrrad, sie war das Gesicht der ethnischen Vielfalt in Frankreich und Symbol des Zweifels an den außergewöhnlichen Maßnahmen in einem außergewöhnlichen Moment. Im Hôtel Matignon [Amtssitz des französischen Premiers] fielen gestern keine Tränen.“
Ein Verlust für Hollande
Über den Rücktritt der Justizministerin und linken Vorzeigepolitikerin Christiane Taubira kann Frankreichs Präsident François Hollande sich allenfalls kurzfristig freuen, warnt die linksliberale Tageszeitung Der Standard. Langfristig sei der Abgang für Hollande gefährlich:
„Taubira sicherte seine soziale, 'moralische' Flanke ab, sie war in gewissem Sinne sein linkes Gewissen. Ihr Rücktritt beraubt den Staatspräsidenten einer wichtigen Rückendeckung in seinem eigenen Lager. Längst ist nicht mehr sicher, dass 2017 alle Sozialisten geschlossen für den 'Rechtsabweichler' Hollande stimmen werden. Ihm droht damit schon im ersten Durchgang das gleiche Desaster wie seinem Parteifreund Lionel Jospin 2002: Das Rennen machten dann der Konservative Jacques Chirac und der Rechtsaußen Jean-Marie Le Pen unter sich aus. Hollande, damals Parteisekretär der Sozialisten, sollte das nicht vergessen haben. Indem er aber Taubira opfert, geht er ein beträchtliches Risiko ein. Eben das Risiko, links zu verlieren, ohne rechts zu gewinnen.“
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