Wie soll sich Europa in Zukunft verteidigen?

US-Präsident Trump zeigt der Nato die kalte Schulter, verprellt Verbündete und verhandelt mit Putin in Sachen Ukrainekrieg – ohne Einbindung der Europäer. Sowohl die EU als auch einzelne Staaten mobilisieren mehr Geld für Verteidigung, Paris bietet seinen atomaren Schutzschirm an und London formiert neue Allianzen. Die Medien diskutieren Europas Sicherheitsmodell im Umbruch.

Alle Zitate öffnen/schließen
Newsweek Polska (PL) /

Gemeinsame Armee leider unwahrscheinlich

Newsweek Polska glaubt nicht an die Schaffung gemeinsamer europäischer Streitkräfte:

„Es gibt gute Gründe, warum die Idee einer gemeinsamen Armee auf den ersten Blick attraktiv erscheint. Die europäische Verteidigung ist unzureichend. Durch gemeinsame Anschaffungen würden wir für das gleiche Geld viel mehr bekommen. Die Schaffung einer europäischen Armee wäre auch ein starkes politisches Signal und ein großer Schritt in Richtung Einigkeit. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass dieser Vorschlag verwirklicht werden kann. Denn die Liste der 'Aber' ist viel länger. Nationale Interessen und das starke Beharren auf Souveränität werden wahrscheinlich immer überwiegen.“

Frankfurter Rundschau (DE) /

Gut vernetzt und wehrhaft

Europa entdeckt endlich seine eigene Macht, freut sich die Frankfurter Rundschau:

„Das neue Zusammenrücken von London, Paris und Berlin ist ein Hoffnungszeichen für die ganze Welt. So sehen es auch Japan, Südkorea und Australien, die in den Runden zugeschaltet sind, zu denen der britische Premier Keir Starmer am Wochenende erneut eingeladen hatte. ... Starmer plant Sicherheitsgarantien für den Fall, dass ein von der Ukraine unterschriebener Waffenstillstand erneut von Russland gebrochen wird. ... Frankreich ließ am Wochenende ein Awacs-Aufklärungsflugzeug, begleitet von zwei Kampfjets, über dem Schwarzen Meer aufsteigen ... . Aus Europa kommen verblüffend schlechte Nachrichten – für Putin und für Trump.“

La Repubblica (IT) /

Es braucht Koalitionen der Willigen

Der Weg von London und Paris ist richtig, urteilt der Historiker und Schriftsteller Timothy Garton Ash in La Repubblica:

„Angesichts von Trumps Unzuverlässigkeit muss die Ausweitung der französischen und britischen nuklearen Abschreckung überdacht werden. Die EU wird zu einem wichtigen Akteur im Verteidigungssektor, insbesondere bei der Unterstützung der Ukraine und bei der Beschaffung von Waffen. Und da in der EU wie in der Nato einige Putin-freundliche Elemente wie Orbán in Ungarn im Weg stehen, werden gewisse weiterreichende Verteidigungsverpflichtungen 'Koalitionen der Willigen' erfordern, wie die für die Ukraine, an der der britische Premier Keir Starmer mit dem französischen Präsidenten arbeitet.“

eldiario.es (ES) /

Raus aus der Nato – und mehr Geld für Verteidigung

Eldiario.es fordert die komplette Loslösung von den USA in Sicherheitsfragen:

„Europa braucht umfassende strategische Souveränität, Verteidigung eingeschlossen. ... Nur den Verteidigungshaushalt aufzustocken, ohne irgendeine Entscheidung über unser Verhältnis zu den USA zu treffen, ändert nichts am Problem. Wir sind weiterhin militärisch abhängig vom amerikanischen Imperium. Wenn jemand glaubt, dass sich in Spanien mit zwei oder drei Prozent des BIP für die Verteidigung etwas ändert, dann hat der Wille die analytischen Fähigkeiten getrübt. ... Ja zu mehr Verteidigung, ja für strategische Unabhängigkeit von den USA, aber im Gegenzug auch ein Ausstiegsplan aus der Nato.“