Milliardenhilfen für syrische Flüchtlinge
Auf einer Geberkonferenz in London hat die Weltgemeinschaft zugesagt, rund neun Milliarden Euro an Hilfsorganisationen für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge zu zahlen. Ist das der richtige Ansatz, um die Flucht der Menschen aus Syriens Nachbarländern nach Europa zu verhindern?
Nur Geld kann Fluchtbewegung stoppen
Für eine Entspannung in der Flüchtlingskrise braucht es vornehmlich Geld, urteilt der konservative Daily Telegraph:
„Der Druck in den Flüchtlingslagern und auf die Aufnahmeländer ist jetzt so groß, dass eine Massenbewegung nach Europa wahrscheinlich ist, die die Million Flüchtlinge des vergangenen Jahres in den Schatten stellen würde. … Die Position der britischen Regierung ist richtig: So sollen die aus der verwüsteten Heimat geflohenen Syrier ermutigt werden, so nah wie möglich an ihrer Heimat zu bleiben, damit sie zurückkehren können, sobald das möglich ist. Deshalb muss man sicherstellen, dass die Flüchtlingslager gut ausgestattet sind und dass Kindern eine Schulausbildung sowie Erwachsene eine Beschäftigung erhalten. Dafür braucht man Geld. Es macht wenig Sinn, Geld zu versprechen und dann nicht zu blechen. Wenn wir zulassen, dass sich die Krise verschärft, werden die langfristigen Kosten höher sein, als all das, was momentan ausgegeben wird.“
Golfstaaten sollten noch viel mehr spenden
Europa sollte im eigenen Interesse darauf drängen, dass sich die reichen Golfstaaten noch viel stärker an der Syrienhilfe beteiligen, fordert die konservative Tageszeitung Die Welt:
„Noch im vergangenen Jahr brachten die Geberländer in Kuwait gerade mal die Hälfte der angestrebten 6,3 Milliarden Euro für syrische Flüchtlinge in der Türkei, Jordanien und dem Libanon zusammen. ... Folge: Wegen massiver Geldkürzungen in den Flüchtlingslagern bei der Lebensmittelversorgung flohen die Menschen in Scharen nach Europa. … Mit Milliardeninvestitionen in die Flüchtlingslager rund um Syrien will die internationale Gemeinschaft nun den Flüchtlingsstrom bremsen. … Die westlichen Staaten sollten aber darauf dringen, dass regionale Akteure wie die reichen Golfstaaten, vor allem Saudi-Arabien, die bisher in der Flüchtlingskrise eine skandalöse Rolle spielen, einen erheblichen finanziellen Beitrag zum Wohle ihrer Glaubensbrüder leisten.“
Die Ohnmacht des Westens
Die finanzielle Unterstützung kann die Hilflosigkeit der internationalen Gemeinschaft nicht vertuschen, wettert die liberal-konservative Tageszeitung Corriere della Sera:
„Trotz aller diplomatischer Bemühungen kann der Westen seine Ohnmacht im Kampf gegen die Terrormiliz IS nicht hinter Finanzhilfen verbergen, die wie immer zu spät kommen. ... Syrien und Libyen sind die Versuchslabore einer Gegenoffensive, die die internationale Gemeinschaft nicht ohne eine gewisse Heuchelei als siegreich erachtet. ... Die Friedensgespräche für Syrien sind am Mittwoch in Genf formell nur unterbrochen, dabei haben sie sich als Spiegelbild einer strategischen und humanitären Katastrophe offenbart, an der die gestern in London versprochenen Milliarden nichts ändern werden. Die Mahnung der USA, deren Einfluss zusehends schwindet, eine Lösung zu finden, stieß auf taube Ohren. … Und die Sieger des Genfer Desasters sind ausgerechnet der IS und Assad, die die Meinungsverschiedenheiten der anderen Gesprächsteilnehmer am besten zu nutzen wissen.“
Geberkonferenz ignoriert das Wesentliche
Die Syrien-Geberkonferenz hat sich leider nur mit den Folgen und nicht mit den Ursachen der Krise beschäftigt, bemängelt die linksliberale Tageszeitung Delo:
„Die Europäische Union ist erst aktiv geworden, als der Syrienkrieg mit seinen Flüchtlingskolonnen ihren Boden erreicht hat. Sie hat sich erst wirklich bewegt, wenn man das überhaupt sagen kann, als der Bumerang in ihr Zentrum zurückkehrte. Die Terroranschläge von Paris können als so ein Bumerang bezeichnet werden. Doch die Reaktion Europas war keine Reflexion von Frieden. Die Flüchtlinge waren schuld. So wurden die Folgen [des Syrien-Kriegs] als Schuldige identifiziert und nicht die Ursachen. Auch die Londoner Geberkonferenz widmete man den Folgen und nicht der Beseitigung der Ursachen: Man will lediglich den unendlichen, tragischen Menschenstrom aufhalten, der nur überleben will.“