Kroatien steht vor Neuwahlen
Nach fünf Monaten ist in Kroatien die Regierung zerfallen. Nachdem die konservative HDZ dem parteilosen Premier Tihomir Orešković das Vertrauen entzogen hatte, hat sich das Parlament aufgelöst und den Weg für Neuwahlen freigemacht. Dass am Dienstag zudem Ex-Vizepremier Tomislav Karamarko als Chef der HDZ zurücktrat, erfüllt Kommentatoren mit Erleichterung.
Orbánisierung Kroatiens gestoppt
Kroatien kann aufatmen, freut sich die Zeitung Jutarnji list:
„Dieser unehrenhafte Abtritt des Menschen, der versucht hatte, in Kroatien Orbáns Machtmodell zu implementieren, könnte die politische Landschaft seines Landes verändern. Das politische Ende Karamarkos könnte das Ende der Politik bedeuten, die seit Jahren die Nation in zwei Lager geteilt hat [ein rechtes und ein linkes]. Seine Politik war eine Katastrophe für die Interessen des Landes, geprägt von Rechtstümelei, nationalistischer Hysterie und zivilisatorischer Regression. Anstelle der üblichen Bürgerkriegsrhetorik wird bei den baldigen vorgezogenen Parlamentswahlen diesmal derjenige gewinnen, der besser zu vereinen als zu spalten vermag.“
Dieses Kabinett war nichts wert
Der kroatische Schriftsteller Ante Tomić weint der Regierung keine Träne nach und zieht in der Zeitung Jutarnji list Bilanz:
„Der Staat wurde nun enthauptet, aber das spielt keine Rolle, denn dieser Kopf war ohnehin nicht von Bedeutung. Wenn er ein Hirn gehabt haben sollte - wir haben es nicht gesehen. Das alles war von vornherein eine Agonie. Da wurden Leute ohne klare Ziele und Visionen auf einen Haufen geworfen. Einzig Kulturminister Zlatko Hasanbegović hatte vielleicht irgendwelche Visionen, aber vor seinen rechtsradikalen Ansichten hatten die Menschen Angst. In der modernen Welt befassen sich psychiatrische Fachleute mit solchen Visionen. Das war eine zutiefst konservative Regierung, die unter anderem die Abtreibung verbieten wollte und nun wurde sie selbst abgetrieben. Zum Glück hat sie weniger Schaden angerichtet, als erwartet.“
Kroatien ist Opfer politischer Experimente
Auf die Kroaten warten weiter instabile Zeiten, fürchtet die slowenische Tageszeitung Delo:
„Kroatien befindet sich in einem politischen Chaos, das allein dem Fang von Wählerstimmen dient. Wer vom Sturz der Regierung profitiert und wer nicht, wird sich noch zeigen. Doch viele Beobachter in unserem südlichen Nachbarland gehen davon aus, dass das monatelange Herumprobieren und das Nichtfunktionieren des Staates beträchtliche Folgen haben wird. ... Die Bürger nehmen an einem Experiment der politischen Eliten teil. Doch selbst die Eliten finden sich in diesem nicht richtig zurecht. Wird auf das erfolglose Experiment Orešković ein weiteres folgen? Wahrscheinlich.“