Trauer um Elie Wiesel
Der Schriftsteller und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel ist am Samstag im Alter von 87 Jahren in New York gestorben. Er überlebte die Konzentrationslager in Auschwitz und Buchenwald und setzte sich jahrzehntelang für die Erinnerung an den Holocaust ein. Kommentatoren würdigen seine Vorbildfunktion, tadeln aber seine Haltung gegenüber den Palästinensern.
Gleichgültig gegenüber Palästinensern
Bei all dem Lob auf das Lebenswerk Elie Wiesels sollte man in den Nachrufen nicht vergessen, dass der Friedensnobelpreisträger auch streitbar war, mahnt der Independent:
„Wenn man mit Israels Politik gegenüber den Palästinensern nicht einverstanden ist, und wenn man glaubt, dass Menschen, die selbst so viel gelitten haben, verstehen sollten, welches Elend sie anderen Menschen antun, dann kann man Wiesel und seine Gleichgültigkeit gegenüber den Palästinensern nicht gutheißen. Er setzte sich für die Rechte der Unterdrückten und Verfolgten in der Welt ein - die sowjetischen Juden, die Bosnier und Kosovaren im früheren Jugoslawien und die Opfer des Genozids in Ruanda. Er warnte beständig vor dem Abgrund, in den uns Rassismus stürzen könnte. Aber gegenüber dem Schicksal der unmittelbaren Nachbarn Israels, die effektiv unter Besatzung, in ihnen zugeteilten, erodierenden Siedlungen leben und denen ihr Recht auf einen Staat verweigert wird, zeigte er sich gleichgültig.“
Holocaust-Überlebender war wichtiger Mahner
Wiesel hat unermüdlich an die Schrecken des Holocaust erinnert, würdigt ihn Politikexperte Vladimir Tismaneanu in Contributors:
„Er wusste, was Agonie, Schmerz, Trauer bedeuten. Er hat seine Familie im Holocaust verloren und er überlebte, um Zeugnis abzulegen. … Er schrieb einen Roman über die Nacht der ermordeten Dichter, nachdem Stalin und seine Clique einen Scheinprozess gegen das jüdische Antifaschistische Komitee organisiert hatten. Er machte aus der Bewahrung der Erinnerung eine unabdingbare Pflicht. 2003 stand er einer Internationalen Kommission vor, die den Holocaust in Rumänien aufarbeitete. Ein Institut, das diese Aufgabe weiter übernimmt, trägt heute in Rumänien seinen Namen. ... Als Verteidiger aller Verfolgten, als Humanist einer immer seltener werdenden Spezie bekam er [1986] den Friedensnobelpreis. Er hat ihn verdient. Soll er in ewiger Erinnerung bleiben. Die Menschheit wird ihm ewig dankbar sein.“
Wiesels Botschaften haben große Bedeutung
Elie Wiesel starb an einem Wochenende, an dem Terroranschläge in Bangladesch und im Irak zahlreiche Menschen in den Tod rissen. Zeugnisse von Menschen, die Grausamkeiten erlebt haben, sind im aktuellen Kontext besonders wichtig, betont La Libre Belgique:
„Der Tod von Elie Wiesel ist ein unermesslicher Verlust. Er hat sein Leben zu einem Kampf gemacht, damit sein unaussprechliches Zeugnis der Shoah in Erinnerung bleibt. Seit der Veröffentlichung von [seinem autobiografischen Roman] Die Nacht 1958 hat er immer wieder vor den Gefahren gewarnt, die Extremismen, Nationalismen, Rassismen aller Art und natürlich der Antisemitismus für Gesellschaften darstellen. In Zeiten, in denen solche Niederträchtigkeiten wiederaufleben und Hassparolen sich immer weiter verbreiten, müssen die Berichte von denjenigen, die Genozide erlebt haben, stärker als je zuvor wachgehalten werden. Frankreich hat einen großen Menschen verloren, der von den Linken, den Rechten und dem Zentrum gleichermaßen gewürdigt wird.“