Hat Macron Chancen auf das Präsidentenamt?
Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron ist am Dienstag zurückgetreten. Nun wird erwartet, dass der Gründer der Bewegung En marche ! 2017 zur Präsidentschaftswahl antreten wird. Er verkörpert den Wandel und hat daher gute Chancen im Wahlkampf, meinen einige Kommentatoren. Andere glauben, dass diese Aufbruchstimmung nicht alle Franzosen erfassen wird.
Macron steht für Neuanfang
Emmanuel Macron hat seine Bewerbung um das Präsidentschaftsamt noch nicht offiziell angekündigt, er wäre jedoch der einzige Kandidat aus dem Mitte-links-Spektrum, der ernsthafte Chancen hätte, meint Slate:
„Ein 'linker' Kandidat kann nicht siegen, denn er würde sein eigenes Lager spalten. Emmanuel Macron hingegen hat viele Feinde unter den Linken, er nervt viele in allen Lagern und er wirft alle von der französischen Politik seit [der Präsidentschaft Pompidous] 1969 etablierten Codes über den Haufen. ... Er steht für Neuerung und der Bedarf nach etwas Neuem ist in der öffentlichen Meinung Frankreichs beachtlich. Ihm gegenüber stehen der betagte [konservative Präsidentschaftskandidat] Juppé und die Vertreterin der Familie Le Pen, welche schon ewig die politische Landschaft mitprägt. Es besteht also ein gewisser Reiz. Dieser enthält zwar das Risiko eines Abenteuers, doch haben viele Franzosen, darunter auch Konservative und Rechtsextreme, Lust auf ein Tabula rasa.“
Jungstar ist nicht volksnah genug
Der zurückgetretene französische Wirtschaftsminister wäre der Richtige für das Präsidentenamt, hätte er nicht einen Makel, meint die Frankfurter Rundschau:
„Genau so jemanden braucht Frankreich doch jetzt. Jemanden, der verkrustete Strukturen aufbricht, den im Vorschriftendickicht erstickenden Unternehmen Luft verschafft. Jemanden, der optimistisch in die Zukunft blickt, seinen von Terror, Wirtschaftsflaute und wachsenden Selbstzweifeln heimgesuchten Landsleuten Zuversicht einflößt. Einen jungen, unverbrauchten Politiker, der Aufbruchsstimmung verbreitet. ... Und so wäre alles bestens, ließe Macron nicht Entscheidendes vermissen. An sozialem Einfühlungsvermögen scheint es ihm zu fehlen. ... Der frühere Investmentbanker wirkt volksfern. ... Die Gewinner der Globalisierung scharen sich um Macron. Die Verlierer wenden sich ab. Ohne sie aber wird er nicht Präsident werden.“
Zu unorthodox für die Sozialisten
Macrons Rückzug verdeutlicht, dass Frankreichs Linke alles andere als reformwillig ist, analysiert Le Temps:
„Der Rücktritt von Emmanuel Macron begräbt die Hoffnung auf eine Erneuerung der französischen Linken von innen heraus. Während seiner kurzen Amtszeit als Minister hat dieser Bilderstürmer die Jugend und den Mut sowie die Fähigkeit verkörpert, alte sozialistische Tabus zu brechen, von der 35-Stunden-Woche bis zum Arbeitsrecht. Vor allem jedoch hat er versucht, ohne allzu behutsam vorzugehen, sein Lager mit der Privatwirtschaft zu versöhnen, die bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und Wohlstand als weit effizienter betrachtet wird, als die unzähligen staatlichen Maßnahmen, unter denen Frankreich ächzt. Der Abgang dieses Reformers ohne Hemmungen macht deutlich, dass seine Ideen für die orthodoxen Sozialisten weiterhin inakzeptabel sind. Das Fazit ist deprimierend: Muss die Linke in Frankreich sterben, damit ein Wandel im Land möglich wird?“