Angst vor neuen Spannungen in Bosnien
In der Republika Srpska, dem serbischen Landesteil von Bosnien und Herzegowina, haben 99,8 Prozent für den Erhalt des Nationalfeiertags am 9. Januar gestimmt. An diesem Tag wurde 1992 die Republika Srpska ausgerufen, das Verfassungsgericht hat den Feiertag jedoch vergangenes Jahr für illegal erklärt. Dass es nur vordergründig um den Feiertag geht, verdeutlicht ein Blick in die Kommentarspalten.
Wieder schaut die Welt nicht hin
Milorad Dodik, Präsident der Republika Srpska, kann sich nach dem Referendum in seinem Sieg sonnen und die Schwäche der anderen weiterhin ausnutzen, warnt Novi list:
„Er ist sich vollkommen bewusst, dass ihm als Feudalherren in seinem Herrschaftsgebiet keiner etwas anhaben kann. Nicht, weil niemand dazu in der Lage wäre, sondern weil niemand will. Er profitiert von dieser Situation und es ist ziemlich sicher, dass dies nicht sein letztes Referendum war. Solange die Haltung der internationalen Gemeinschaft gegenüber Bosnien und Herzegowina so bleibt, wie sie ist, wird er weiter machen. Und diese erinnert erschreckend an die Haltung gegenüber Bosnien 1991 und 1992. Selbst der Kriegsausbruch damals hat dieses Land nicht in den Fokus der internationalen Gemeinschaft gerückt. Und als das Land in den Fokus rückte, war es schon zu spät.“
Beide Seiten schlachten Referendum aus
Der Feiertag spielt eigentlich keine Rolle, hier haben nur serbische wie bosniakische Streithähne versucht, die Reihen hinter sich zu schließen, schimpft Večernji list:
„Dodik hat die symbolische Frage nur aufgeworfen, um sein Standing zu verbessern und die Opposition zu zwingen, ihm zu folgen. Angesichts der Lokalwahlen in Bosnien und Herzegowina in einer Woche kein unwichtiges Manöver. ... Auf die gleiche Karte hatte auch erfolgreich Bakir Izetbegović gesetzt, der bosniakische Vertreter im Staatspräsidium Bosnien und Herzegowinas und Vorsitzender der SDA [der bosniakisch dominierten Partei in BiH]. Geschickt hat er das Referendum dramatisiert und die Opposition dahin gebracht, bei der 'Verteidigung des Landes' mitzumachen, anstatt sich mit der erfolglosen Politik seiner Regierungspartei zu beschäftigen. Jetzt, da alle Seiten ihre politischen Zielchen erreicht haben, ist es wieder an der Zeit, sich um die wahren Probleme von Bosnien und Herzegowina zu kümmern.“
Ein brandgefährliches Votum
Das Ergebnis der Abstimmung könnte das fragile Land erneut in den Abgrund reißen, fürchtet die taz:
„Milorad Dodik, dem angeschlagenen Präsidenten der bosnisch-serbischen Teilrepublik, ist es wieder einmal gelungen, die Reihen fest hinter sich zu schließen. Dem Serbenführer ist zuzutrauen, dass er nach diesem Erfolg nun auch bereit ist, weiter zu eskalieren: mit einer Abstimmung über einen Austritt aus der Föderation. ... Dodik und seinen Unterstützern geht es um nichts weniger als den nationalistischen Traum, ein Großserbien zu schaffen. Kein Wunder also, dass die Bosniaken genannten Muslime im Land, die die Mehrheit stellen, empört reagieren. ... Die Serben könnten den Staat Bosnien und Herzegowina zwar verlassen, aber ohne das Land, sagen die Bosniaken unmissverständlich. Diese Aussagen kommen einer Kriegsdrohung gleich.“
Das multiethnische Bosnien darf nicht scheitern
Besorgt ob des Zusammenlebens in Bosnien und Herzegowina zeigt sich nach dem Volksentscheid auch Delo:
„Im Westen überwiegt die Überzeugung, dass vor dem Krieg Serben, Kroaten und Moslems in Bosnien in einer wahren Idylle lebten, dass es keinen gegenseitigen Hass gab und eine nationale und glaubenstolerante Multikulti-Gesellschaft. Das Modell hat aber nur solange funktioniert, bis die Demokratie kam. ... Obwohl das internationale Protektorat noch gilt, werden die Ausländer wie nach jeder Okkupation eines Tages gehen. Serben, Kroaten und Bosnier aber bleiben in Bosnien. In was für einem gemeinsamen Staat - wenn überhaupt - sind sie bereit, zu leben? Scheitern die Bemühungen für ein multiethnisches Bosnien, ist alles möglich.“
Bankrotterklärung der Politik des Westens
Der Westen wird mit dem Referendum in der Republika Srpska einmal mehr vorgeführt, analysiert Der Standard:
„Russland trägt Entscheidungen im Friedensimplementierungsrat der Internationalen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina nicht mehr mit. Die EU-Erweiterung und damit die Entwicklung von Rechtsstaatlichkeit und Bürgerrechten wird untergraben. Obwohl der EU-Rat nun die Möglichkeit hätte, Sanktionen zu setzen, reagiert dieser nicht. Die Internationale Gemeinschaft ist schon lange lahm. Als vor zehn Jahren Christian Schwarz-Schilling Hoher Repräsentant in Bosnien-Herzegowina war, hatte Dodik bereits die rote Linie überschritten. Doch die USA zogen plötzlich ihre Zusage zu Sanktionen zurück. Nun ist es zu spät, Stopp zu sagen. Die Autorität des Amts des Hohen Repräsentanten ist längst beschädigt. Der Umstand, dass das Referendum überhaupt stattfinden konnte, ist eine Bankrotterklärung der westlichen Politik auf dem Balkan.“